Absolute Eleganz der Stimme
Hohe Kunst des Belcanto
Genau heute vor einer Woche ist in seiner Heimatstadt Triest Piero Cappuccilli gestorben. Ein weltweit gefeierter Künstler, der in Österreich frenetisch bejubelt wurde, wenn er seinen Belcantobariton scheinbar mühelos strömen ließ.
8. April 2017, 21:58
Piero Cappuccilli als Posa in "Don Carlo"
Die einzige Absicherung für uns Sänger ist das Erlernen einer soliden Technik am Beginn unserer Karriere und dann das allmähliche Voranschreiten, bei dem wir nie über unsere stimmlichen Möglichkeiten hinausgehen dürfen. Das ist das einzige Mittel, um sich von Unsicherheiten, Lampenfieber und Ähnlichem zu befreien. Dann sind wir Herrscher über unsere Stimme und nicht umgekehrt.
Das bekannte Piero Cappuccilli, der über eine phänomenale Stimmtechnik verfügte, der Journalistin Helena Matheopoulos gegenüber.
Atemtechnik
Besonderes Kennzeichen war, neben der absoluten Schönheit seiner Stimme, die hervorragende Atemtechnik. Sie hat Piero Cappuccilli stets auf seine jugendlichen Sportambitionen als Taucher zurückgeführt. Damals war allerdings noch nicht im geringsten davon die Rede, dass er einmal Opernsänger werden sollte, ganz im Gegenteil, diese Art von Musik hat ihn nicht im geringsten interessiert. In seiner Familie aber gab es in Person von Großvater und Onkel durchaus Opernenthusiasten. Und die erkannten auch bei seinem Schmettern von Filmschlagern und populären Canzonen, das stimmliche Potential, das ihn ihm schlummerte.
Überredungskunst
Trotzdem bedurfte es noch großer Überredungskünste, um den jungen Architekturstudenten in Richtung Oper zu steuern. Ein prominenter Gesangslehrer, der von Cappuccillis Qualitäten so begeistert war, dass er ihn sogar gratis unterrichten wollte, gab schließlich den Ausschlag.
Nur zwei Jahre später - das war Ende 1955 - konnte er bereits den Korrepetitoren der Scala vorsingen und auch die waren sofort begeistert. Dennoch sollte es noch fast ein Jahrzehnt dauern, bis er erstmals auch auf der Bühne der Scala stehen durfte und zwar als Enrico in Donizettis "Lucia di Lammermoor". In der Zwischenzeit aber hatte er bereits internationale Lorbeeren geerntet und war auch schon von der Schallplatte entdeckt worden und das immerhin an der Seite von Maria Callas.
Rollengestaltung
Am 4. November 1966 hat Piero Cappuccilli als Amonasro an der Wiener Staatsoper sein Debüt gegeben und dabei die mehr als heikle Aufgabe übernommen, quasi in die Fußstapfen des so jung verstorbenen Ettore Bastianinis treten zu müssen.
Keine leicht Aufgabe also, aber Cappuccilli hat sie schließlich bravourös gemeistert und in der Folge vor allem in den Standardpartien des italienischen Faches wahre Triumphe erzielt: als Rene im "Maskenball", als Rigoletto, Luna, Germont, Jago, Tonio, auch als Gerard in "Andrea Chenier" oder als Posa in "Don Carlos".
Reminiszenz
Berührend war meine letzte persönliche Begegnung mit Piero Cappuccilli, das war vor acht Jahren im Wiener Konzerthaus: Cappuccilli wirkte bei einem von Marcel Prawy moderierten Benefizkonzert mit. Er hat sich da an der Arie des Gerard versucht und das Ergebnis war ähnlich traurig wie sein letzter Staatsopernauftritt im Jahr 1994: der einst so kraftstrotzende Künstler, der im "Attila" sogar mit einem tenoralen hohen B prunken konnte, war nur mehr ein Schatten seiner selbst. Auch rein stimmlich gezeichnet von den Folgen eines schweren Autounfalls Anfang der 1990er Jahre, der seine Karriere mit einem Schlag zunichte gemacht hatte.
Danach saßen wir noch zusammen im Buffet, am gleichen Tisch, auch sein dreizehn Jahre älterer Kollege Giuseppe Taddei - damals bereits über 80. Im Gegensatz zu Cappuccilli, war er immer noch voll stimmlicher Kraft und konnte selbst in diesem Alter noch sein Publikum begeistern. Wir beide sind die letzten meinte Cappuccilli zu Taddei. Zwei große alte Herrn, die über den nach wie vor großen Mangel an italienischen Baritonstimmen klagten.