Konkrete Liebe wenig gefragt

Der Philosoph als Liebender

Die Liebe - das Kennzeichen des Menschlichen - zählt zu den Erfahrungen im Leben, die man durchlebt und nicht theoretisch bewertet. Als tief greifende Gefühlsbewegung entzieht sich das Phänomen der Liebe jeder Definition.

Die Liebe lässt sich auch nicht durch ein rationales Kalkül bestimmen, das von Philosophen so sehr geschätzt wird. Die Königin der Wissenschaften hat Schwierigkeiten, sich auf das aufwühlende Erleben von Liebe einzulassen.

Zwar verstehen die Philosophen ihre Tätigkeit als ein Projekt, das von der Liebe zur Weisheit geleitet wird, meint der in St. Gallen lehrende Philosoph Dieter Thomä, die konkrete Liebe zu den Menschen wird dabei jedoch vernachlässigt.

Ablehnung der Sinnlichkeit

Eine grundlegende Spaltung hat die Geschichte der Philosophie geprägt: Die Welt der körperlichen Sinnlichkeit wurde dem Reich des Geistigen gegenübergestellt. Diese Zweiteilung erfuhr dann auch eine Bewertung: Körperliches Begehren, Emotionen und Triebe galten als etwas Minderes, sogar Abstoßendes, während der Geist als höchstes Prinzip fungierte.

Platonische Liebe

Begründet wurde diese Abwertung der Sinnlichkeit durch Platon. Für ihn war die Liebe zur Weisheit ein Unternehmen, das den Bereich der Sinnlichkeit hinter sich zurückließ. Er verstand seine Philosophie als eine innere Vision, die den Bereich der menschlichen Sinnlichkeit überschreitet. Dennoch schätzt Platon durchaus die Erotik. Er sieht sie als Durchgangsstadium, um zur Weisheit zu gelangen.

Liebe als Überschreitung

Philosophie als lustvolle, erotische Tätigkeit, die sich nicht als rigorose Abgrenzung zur Sinnlichkeit versteht - auch dieser Aspekt der Liebe zur Weisheit findet sich in der philosophischen Tradition.

Ein Beispiel ist der italienische Renaissancephilosoph Giordano Bruno. In seinem Hauptwerk "Von den heroischen Leidenschaften", bezeichnete Bruno die Liebe als den entscheidenden Antrieb der menschlichen Existenz: Die Liebe verglich Bruno mit einer magischen Kraft, die den statischen Rahmen des Individuums sprengt.

Er plädierte für eine exzessive Überschreitung, für eine lustvolle Ekstase, die von der antiken Philosophie als Gefahr für den souverän denkenden Weisen angesehen wurde.

Vom freien Spiel der Liebe

Eine ganz konträre Einschätzung der Liebe findet sich bei dem französischen Philosophen Michel de Montaigne, der von 1533 bis 1592 lebte. Er ging von der Widersprüchlichkeit des Menschen aus und war davon überzeugt, "dass der Mensch aus krummen Holz" geschnitzt sei.

Moralische Vorschriften, die das individuelle Leben regelten, betrachtete er von einer kulturrelativistischen Perspektive aus. Das Individuum war für ihn keine unveränderliche Größe, sondern ein ständig wechselndes Gebilde. Daher hielt Montaigne auch wenig von der einzigartigen romantischen Liebe, sondern plädierte für Erotik just for fun.

Liebe in der Postmoderne

In der Philosophie des 20. Jahrhunderts spielt die Sexualität eine wichtige Rolle. Vor allem in den Schriften von Georges Bataille, Michel Foucault und Roland Barthes findet sich eine Huldigung der Liebe, die auch den körperlichen Aspekt nicht ausspart.

Diese Philosophen haben sich nicht nur theoretisch über die Liebe geäußert, sondern auch ein exzessives Sexualleben geführt. Sie kannten den Reiz der Verausgabung, die auch die Gefahr des Verbrennens beinhaltet.

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