Gewichtsverlust durch Worte?

Literarisches Abnehmen

Grundsätzlich bin ich ein Diätgegner. Weil ich spätestens nach vier Tagen schwöre, nie, nie, nie mehr wieder in meinem Leben XY (setzen Sie hier ein, was immer Ihnen in den Sinn kommt) zu essen. Jetzt aber habe ich etwas Neues gefunden: Bücher-Diät.

Geht's Ihnen auch so? Zuerst ist da dieses verräterische Gewand, das nicht mehr so problemlos passt. Ächzende Knöpfe, protestierende Reißverschlüsse, extrem strammer Sitz. Das kann man gerade noch wegrationalisieren ("Schatzi! Wie oft habe ich Dich schon gebeten, den Temperaturregler der Waschmaschine nicht anzurühren!!!"), auch wenn die echte Überzeugungskraft fehlt.

Aber dann! Der Spiegel beginnt zu keuchen, sobald er meiner ansichtig wird. Die Waage im Badezimmer weicht mit einem Hechtsprung aus, wenn sich mein rechter Fuß auch nur in ihre Nähe begibt. Die Kühlschranktüre (Ach die Gute!) versucht, sich ihrer Normtätigkeit entgegenzustemmen, um weiteren Unförmigwerdegängen meinerseits vorzubeugen, muss sich aber roher Gewalt ergeben, meiner nämlich.

Irgendwann registrieren meine beiden Hirnhälften den Tatbestand. Nacheinander! Bis die beiden sich geeinigt haben und mir mit vereinten Kräften zusetzen, vergehen wieder ein paar Wochen. Dann erst, wenn es also gar nicht mehr anders geht, versuche ich, die geeignete Diät für mich zu finden. Schwierig, schwierig! Aber jetzt habe ich etwas entdeckt, das könnte für mich passen. Die Bücher-Diät.

Sie haben noch nie vom Nährwert unterschiedlicher Bücher gehört? Dass dicke Barockromane gefährliche Gewichtsvermehrung nach sich ziehen? Dass SchriftstellerInnen mit größerem Wortschatz nahrhafter sind als ihre ausdrucksärmeren KollegInnen? Dass Trivialliteratur auf Dauer nicht sättigt oder Horrorromane schwerverdaulich sind bzw. Verrisse einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen, dem könnte man ohne Nachdenken zustimmen, aber dass das Lesen avantgardistischer Lyrik mit strenger Beschränkung auf drei Gedichte pro Tag ein nahezu ideales Diätprogramm abgibt?

Sollten Sie sich nun schon die Sichtung ihrer Lyrikbestände in Erwägung ziehen: Lassen Sie es! Die strenge Lyrik-Diät wirkt bei uns leider nicht. Nur in Zamonien, und dort leider auch nur ganz tief unten, im riesigen Kellerlabyrinth, das sozusagen das Fundament der "Stadt der träumenden Bücher" bildet und natürlich voller Bücher ist.

Zamonien? Die Heimat von Käpt'n Blaubär. Voll von phantastischen Lebensformen, zum Beispiel den "Buchlingen", die von "Literatur und schlechter Luft" leben können, und deren Traumvorstellung von einem 7-Sterne-Menü (für Buchlinge) gar nicht so absonderlich ist: zum Auftakt ein paar leichte Aphorismen. Dann ein freundliches Sonett. Anschließend eine magere Novelle oder ein paar Kurzgeschichten. Zum Hauptgang ein Roman, vielleicht eine richtig fette Dünndruckschwarte von dreitausend Seiten, Hauptsache, es gibt genügend dieser delikaten Fußnoten darin. Und als Nachtisch ...

"Jetzt reiß dich mal am Riemen!" ruft in diesem Moment der Freund des vom Essen träumenden Buchlings, "heute morgen hast du erst mit deiner Lyrik-Diät begonnen, und schon drehst du durch!"

Auch wenn Bücher-Diät in unserer Welt nicht zum Abnehmen führt (außer für die Geldkatze), eines weiß ich bestimmt: lachen, schmunzeln, grinsen, kichern, wiehern, gickeln... ist Seelennahrung und vertreibt zumindest den Kummerspeck!

Buch-Tipps
Walter Moers, "Die Stadt der träumenden Bücher", Piper Verlag, ISBN 3492045499

Walter Moers, "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär", Eichborn Verlag, ISBN 3821829699