Die Psychoanalytikerin Elisabeth Lukas

Sinnsuche als Heilung

Sigmund Freud definierte den Menschen als Seelenapparat. Für Alfred Adler war er ein nach Macht strebendes Wesen. Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Was ist spezifisch menschlich? Viktor E. Frankl hat Antworten darauf gesucht.

Elisabeth Lukas im Gespräch mit Renata Schmidtkunz

Die klinische Psychologin und Psychotherapeutin Elisabeth Lukas war zuerst Viktor E. Frankls Schülerin und dann bis zu dessen Tod im Jahr 1997 mit ihm befreundet. Der von ihm begründeten Logotherapie und Existenzanalyse war sie stets verbunden.

Elisabeth Lukas: Gerade diese Frage "Was ist spezifisch menschlich?" hat Viktor E. Frankl schon als jungen Arzt sehr beschäftigt. Nämlich in der Hinsicht, dass er wissen wollte: Was unterscheidet eigentlich Menschen von Tieren? Denn so etwas wie einen Seelenapparat haben ja auch die höheren Tiere. Sie streben danach, ihre Triebe zu befriedigen, ihre Bedürfnisse zu stillen. Und so etwas wie ein Machtstreben finden wir ja auch im Tierreich. Sie wollen eine gewisse Stellung haben, und wenn andere mit ihnen rivalisieren, dann beißen sie auch zurück undsoweiter.

Aber das, was eigentlich menschliches Sein ausmacht, was über das tierische Leben hinaus geht, das ist eigentlich die Frage nach Sinn und Werten. Nach Gut und Böse. Nach Richtig und Falsch. Das ist die Frage, wofür man eigentlich lebt, was der Sinn des Lebens sein kann, oder auch der Sinn eigener Existenz - trotz dieser Brüchlichkeit und Vergänglichkeit des Lebens. Wozu wie überhaupt da sind, und was wir während unseres Erdendaseins auch bewirken können. Und ob wir überhaupt etwas von Bedeutung bewirken können. Das ist spezifisch menschlich. Und deshalb hat sich Professor Frankl auf die Suche begeben danach, was man aus diesem menschlichen Potential ableiten kann an therapeutischem Gewinn.

Renata Schmidtkunz: Das heißt, der Mensch war für ihn mehr als der zitierte Seelenapparat, mehr als ein triebgesteuertes Wesen, mehr als ein nach Macht strebendes, auf Hierarchie und gesellschaftliche Position ausgerichtetes Wesen. Also was genau?
Ja, das Wort "mehr" ist gut! Denn natürlich stecken in uns auch diese animalischen Triebe, das biologische Erbe steckt in uns. Aber dennoch ist es nicht das Eigentliche, was uns Menschen kennzeichnet. Das Eigentliche ist, dass wir sinnorientierte Wesen sind und nicht umsonst da sein wollen, sondern Aufgaben finden wollen, die wir bejahen können, die uns zufrieden stellen, die uns beglücken, wo wir am Ende unseres Lebens zurück blicken können und sagen können: "Ja, es war gut, dass ich da war. Ich bin zufrieden mit dem, was ich schaffen konnte in meinem Leben. Ich kann mein Leben rückblickend absegnen."

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