Unbestrittene Weltklasse
Liebevolle Konkurrenz
Seit fast 150 Jahren gibt es eine fruchtbare musikalische Konkurrenz zwischen Wiener und Berliner Philharmonikern, um Platz Eins in der Musikwelt. Wer macht nun das Rennen und wodurch unterscheiden sich die beiden gigantischen Klangkörper? Entscheiden Sie!
8. April 2017, 21:58
Bruckner mit 1x Wiener und 2x Berliner
Als Geburtstagsgeschenk für den amtierenden Berliner Chefdirigenten Simon Rattle (Markenzeichen der Wiener Philharmoniker ist seit jeher die demokratische Autonomie in ihrer Dirigentenwahl) haben sich friedlich auf dem Konzerthauspodium zwei der größten Rivalen der Musikwelt vereint.
Ein gemeinsames Konzert der Beatles und der Stones hätte kaum wahrscheinlicher sein können als eine Kombination aus Wiener und Berliner Philharmoniker. Was sind die Besonderheiten der beiden Luxusklangkörper, was trennt sie und was haben sie gemeinsam?
Berlin
Frühjahr 1882: Als Benjamin Bilse den Mitgliedern seiner Kapelle für eine Konzertreise nach Warschau neben einem ohnehin schon mageren Honorar nur eine Bahnfahrt vierter Klasse spendieren will, ist für 54 seiner Musiker der Moment gekommen, sich als "Frühere Bilsesche Kapelle" selbständig zu machen. Doch das junge Ensemble hat anfangs noch mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen.
Erst als 1887 der Berliner Konzertagent Hermann Wolff die Organisation übernimmt, wird ein stabiles Fundament für die Zukunft geschaffen: Er ändert den Namen in "Berliner Philharmonisches Orchester", macht eine umgebaute Rollschuhbahn zur ersten "Philharmonie" und besorgt den Musikern den besten Dirigenten ihrer Zeit. Bis zur Ära Rattle standen folgende Chefdirigenten am Pult der Berliner: Hans von Bülow, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Claudio Abbado.
Im Jahre 1895 erschien das "Berliner Philharmonische Orchester" erstmals in Wien, um sich unter seinen prominentesten Dirigenten, Richard Strauss, Karl Muck und Felix Mottl im Großen Musikvereinssaal dem Publikum zu stellen. Schon zwei Jahre danach kamen die Berliner wieder, diesmal mit Arthur Nikisch und Felix von Weingartner, obwohl sie zu dieser Zeit auch Gastkonzerte in Kopenhagen, Paris und Zürich absolvierten.
Wiener
Die Wiener Philharmoniker hingegen ließen erst im Jahr 1918 in Berlin ihre Kunst hören. Gewiss beruhte der Vorsprung der Berliner nicht nur auf Unternehmungsgeist und Reisetüchtigkeit, sondern vor allem auf der Ungebundenheit, der sie sich als Konzertorchester erfreuten.
Die Wiener Philharmoniker waren als Opernorchester zwar sozial besser gestellt, aber zehn Monate im Jahr an ihre Wirkungsstätte gefesselt. Bis zur Jahrhundertwende mussten sie sich mit kleineren Ausflügen nach Salzburg, Graz, Brünn und Budapest begnügen. Und als Mahler sie 1900 nach Paris - ihre erste Auslandsreise - führte, geschah dies in der zweiten Junihälfte, als das Hofopern-Theater schon Sommerpause hielt.
Auch die Englandreise (1906) unter Franz Schalk, die Mitwirkung bei der Münchener Richard-Strauss-Woche (1910), die Tournee durch sieben Schweizer Städte (1917), die Fahrt durch die Tschechoslowakei (1921) und sogar die musikalischen Expeditionen nach Südamerika (1922 und 1923) fielen in die hochsommerlichen Ferienwochen.
Buch-Tipp
Herta Blaukopf, "Die Wiener Philharmoniker", Zsolnay Verlag, ISBN 3854091982
CD-Tipps
Anton Bruckner, "Symphonie Nr. 7", Wiener Philharmoniker unter Nikolaus Harnoncourt, Teldec LC 4019
Anton Bruckner, "Symphonie Nr. 7", Berliner Philharmoniker unter Lorin Maazel, EMI CDC 7 49584 2
Anton Bruckner, "Symphonie Nr. 7", Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan, DG 419 195-2
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