Gewalt und Aggression in der Pflege

Mehr Qualität in der Pflege

Nur selten setzen sich Betroffene, Verantwortliche und Öffentlichkeit mit den Ursachen von Spannung, Aggression und Gewalttätigkeit in Pflegesituationen auseinander. Noch seltener wird dabei der Frage nach der Verbesserung der Situation nachgegangen.

Die Pflege und Betreuung alter, behinderter und chronisch kranker Menschen ist eine Aufgabe, die aufgrund der demografischen Entwicklung ständig und zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wenn auch der überwiegende Teil der älteren Bevölkerung unabhängig von fremder Unterstützung sein Leben bewältigt, so geraten der relativ kleine Anteil der Hilfsbedürftigen und die letzten versorgungsintensiven Jahre immer wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion.

Auch ein Pflegefall in der Familie kann zum Problem werden. Und das passiert gar nicht so selten. Gerade das Ausmaß und die Häufigkeit von Aggression und Gewalt in Zusammenhang mit pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen und in Behandlungseinrichtungen wird zunehmend kritisch diskutiert.

Definition der Gewalt

Definiert wird "Gewalt" als die Anwendung von physischem und/oder psychischem Zwang gegenüber anderen, um diesen Schaden zuzufügen bzw. sie der Herrschaft der Gewaltausübenden zu unterwerfen, oder um solcher Gewalt zu begegnen (Gegengewalt).

Wird der Begriff auf "institutionelle Gewalt" ausgedehnt, wird in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens a priori Gewalt ausgeübt, meinen Sozialwissenschafter. ÄrztInnen und Pflegende werden auf unterschiedlichste Weise mit Gewalt konfrontiert In Betreuungsverhältnissen kommt Gewalt in vielfältiger Art vor: Es gibt Gewalt von Patientinnen und Patienten gegen Betreuungspersonen, z.B. in der Psychiatrie, in Notfallstationen und Pflegeheimen, aber auch Gewalt von Pflegenden gegen Betreute (z. B. in Pflegeheimen), Gewalt unter Patientinnen und Patienten und Gewalt durch und gegen Angehörige betreuter Personen (z. B. in der Pädiatrie, in der Gemeindepflege).

Gewalt in Betreuungsverhältnissen unterliegt der Gefahr der Tabuisierung und es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse über das Ausmaß des Phänomens.

Ursachen der Aggressionen

Ursachen von Seiten der Betreuten für Aggressionen können das Eindringen in die Intimsphäre, Verkennen der Situation und ständige Missverständnisse, Missachtung von Gefühlen und Bedürfnissen, unangemessener Umgang und Zwang sein. Aber auch ÄrztInnen und Pflegepersonen sind gegenüber aggressiven Handlungen nicht gefeit: Überlastung, Burnout, schlechtes Arbeitsklima und mangelnde psychosoziale Unterstützung sind nur einige Faktoren, die ein erhöhtes Aggressionspotential entstehen lassen können.

Allerdings kann sich für die Pflegepersonen eine ethische Spannung ergeben, wenn sie zwischen zwei sich ausschließenden moralischen Werte entscheiden muss, wie z.B. Autonomie/Selbstbestimmung einerseits und Sicherheit/ Schutz des Klienten andererseits.

Heimvertragsgesetz und das Heimaufenthaltsgesetz

Um bestmöglichen Schutz für die zu Pflegenden zu gewährleisten tritt heuer im Juli in Österreich das Heimaufenthaltsgesetz in Kraft. Ziel ist es damit u.a. einen verfassungskonformen Schutz der persönlichen Freiheit zu gewährleisten, zulässige Freiheitsbeschränkungen zu definieren, Aufklärungs- und Meldepflichten sowie die Aufgaben der Bewohnervertretung zu regeln.

Ebenfalls mit Juli 2005 tritt die in Europa einmalige Institution der Heimbewohnervertreter in Kraft. Diese von der Sachwalterschaft ausgebildeten Personen werden künftig für die Rechte der gepflegten Menschen eintreten.

Vorläufig 50 HeimbewohnervertreterInnen werden das Bewusstsein und die Sensibilität für freiheitsbeschränkende Maßnahmen in den betroffenen Einrichtungen, beim Pflege- und Betreuungsteam, bei Ärztinnen, bei Angehörigen und in der Gesellschaft erhöhen. Auch sollen Alternativen zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen aufgezeigt und gefördert werden.

Gesetzliche Regelungen sind aber nur ein erster Schritt. Sie müssen von umfassendem Wissen und kontinuierlicher Diskussion über Gewalt und ihre Ursachen in der Pflege begleitet sein.

Diskutieren Sie mit

Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder von Ihren Erfahrungen erzählen wollen, dann rufen Sie während der Sendung unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 22 6979 an, oder posten Sie hier.

  • Haben Sie Erfahrung mit der Pflege eines Angehörigen?
  • Ist einer Ihrer Angehörigen in einem Pflegeheim untergebracht?
  • Haben Sie Erfahrungen mit Pflegepersonal gemacht?
  • Wie können Spannungen und Aggression im Pflegealltag vermieden werden?
Offen gebliebene Fragen werden von unseren Sendungsgästen bis zirka 15:20 Uhr nach der Sendung in unserem Online-Forum beantwortet.

Mehr zu Gewalt in der Pflege in der Online-Infomappe

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