Das Maximum herausgeholt

Entnazifizierung

Nach Kriegsende war ein Hauptziel der Alliierten, die Nationalsozialisten für ihre Verbrechen zu bestrafen. Österreich wurde oft mangelnde Konsequenz bei der Entnazifizierung vorgeworfen. Zu Unrecht? Ein Gespräch mit dem Politologen Anton Pelinka.

Wolfgang Ritschl im Gespräch mit Anton Pelinka

Den Krieg gegen den Irak haben die USA sehr schnell gewonnen. Allerdings stellte es sich vor zwei Jahren ebenso schnell heraus, dass eine Besatzung des Irak ungleich schwerer ist als seine Eroberung.

Die Bevölkerung, das war und ist das Ziel, muss grundsätzlich neu lernen, Vertrauen in die politischen Eliten zu finden. Dabei sind die Ahndung der Verbrechen des Regimes von Saddam Hussein und ein Programm der "De-Baathifizierung", die Entfernung der einstigen Parteigänger Saddam Husseins, wichtige Aspekte bei der Schaffung demokratischer Grundlagen.

Bemerkenswerte Parallelen

Die Baath-Partei wurde strukturell oft mit der NSdAP verglichen, damit geriet auch die Entnazifizierung wieder in den Blickpunkt des Interesses. Ein Satz aus dem Jahrbuch für Internationale Sicherheitspolitik 2003 zur Lage im Irak klingt wie ein Echo aus dem Jahr 1945:

Die Erfahrung aus früheren Transformationsprozessen zeigt, dass Technokraten und andere Spezialisten auch unter veränderten politischen Umständen nur schwer zu ersetzen und für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der freien Wirtschaft unverzichtbar sind.

Anton Pelinka, Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Innsbruck und Verfasser von Büchern zur Entnazifizierung in Österreich, meint, dass es sicher so war, dass nationalsozialistische Bürokraten und Experten 1945 nicht einfach ersetzbar waren. Pelinka sieht darin auch den Grund für die spätere Kritik, dass kein eindeutigerer Bruch zum Nationalsozialismus erfolgt ist.

Im Irak mussten nach dem US-Einmarsch selbst Kellnerinnen in einem Hotel Schriftstücke unterfertigen, dass sie nicht Mitglied der früheren Baath-Regierungspartei sind und niemals waren. Viele Iraker hat das erbost, die sagen nämlich, dass fast alle Iraker den Mitgliedsausweis der Partei haben mussten. Wer keinen hatte, konnte nicht arbeiten, nicht studieren, seine Kinder nicht in die Schule schicken und keinerlei öffentliche Dienstleistung in Anspruch nehmen.

Anton Pelinka weist auch auf einen strukturellen Unterschied hin, wenn er sagt, dass es, anders als im Irak, einen Wettbewerb um Wählerstimmen gegeben hat. "Es war in der Logik der Demokratie unvermeidlich, dass sich die Parteien auch um die Stimmen derer bemühten, die 1945 weniger als Befreiung und mehr als Niederlage empfunden haben", so Pelinka.

Ostblocks, Chile, Südafrika

"Unterm Strich", so Peter Pelinka, "ist die Transformation mit vielen Mängeln in den meisten Fällen geglückt wie etwa in Spanien, Portugal oder Griechenland; wir haben auch die postkommunistischen Beispiele wie etwa Polen. Ich würde auch sagen, dass in Österreich - bei aller berechtigten Kritik an vielen Aspekten dieser Transformation - diese geglückt ist, weil wir heute eine fehlerhafte, kritisierbare, aber dennoch stabile, liberale Demokratie haben."

Es gibt aber auch Beispiele, wie man anders mit dem Problem umgehen kann, wie etwa die "Wahrheitskommissionen" in Südafrika gezeigt haben, wo versucht wird, Strafe und das Finden von Wahrheit zu trennen. Da sei die Bilanz noch nicht abgeschlossen. "Das südafrikanische Beispiel ist als besonderer Fall noch zu würdigen", so Peter Pelinka.

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Universität Innsbruck - Institut für Politikwissenschaft