Geschichte - Auswirkungen - Folgen
Der Weinskandal vor 20 Jahren
Vor 20 Jahren wurde der große Weinskandal aufgedeckt. Die Folgen waren katastrophal. Die meisten Betriebe gingen bankrott, sodass es bis heute nur sehr wenige große Weinhandelsunternehmen gibt. Seitdem hat Österreich eines der schärfsten Weingesetze der Welt.
8. April 2017, 21:58
Statement Josef Pleil, Präsident des öst. Weinbauverbandes
Am 23. April 1985 wurde mit dem Weinskandal einer der größten Lebensmittelskandale in der Geschichte der Zweiten Republik aufgedeckt. Das Landwirtschaftsministerium verkündete an diesem Tag, dass in großen Mengen verbotene Zugaben in Wein aus dem Burgenland und aus Niederösterreich gefunden wurden. Das geheimnisvolle Mittel, das aus gewöhnlichen Tafelweinen süße und ölige Prädikatsweine machte, hieß Diethylenglykol. Bis dahin wurde das Mittel hauptsächlich als Komponente für Frostschutzmittel eingesetzt.
Der große Unbekannte
Nach der Massenproduktion in den 70er Jahren und dem Preisverfall österreichischer Qualitätsweine hatten die staatlichen Kellerei-Inspektoren ja schon lange einen vagen Verdacht. So viel Prädikatswein konnte auf natürliche Weise ja gar nicht erzeugt werden. Aber Anträge auf Hausdurchsuchungen bei verdächtigen Weinhändlern wurden vom Gericht regelmäßig als unverhältnismäßig zurückgewiesen, und chemisch war einfach nichts zu finden, erinnert sich Walter Brüders, der damals als Kellereiinspektor im Burgenland eingesetzt war. Sein Buch über den Weinskandal liest sich wie ein Kriminalroman:
Am 21. Dezember 1984 tauchte plötzlich ein unbekannter Mann mit deutschem Akzent in der landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt in Wien auf, stellte eine Flasche mit einer wasserhellen, sirupartigen Flüssigkeit auf den Tisch und sagte: "Das verwendet die österreichische Weinfälscherszene. Bis heute weiß niemand, wer der Mann war, doch sein Hinweis brachte die Sache ins Rollen. Nach einer Woche stand die chemische Zusammensetzung des Mittels fest: Es war Diethylenglykol.
Der Skandal explodiert
Die landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt entwickelte daraufhin ein Verfahren mit einer Nachweisgrenze von 100 mg Diethylenglykol je Liter Wein. Diese Nachweisgrenze machte in der Weinszene die Runde und führte zu fatalen Folgen, denn die Panscher haben in der Folge das Ausmaß des Skandals selbst mehr als verzehnfacht.
Um den Glykolgehalt unter die labortechnische Nachweisgrenze von 100 mg je Liter Wein zu drücken, wurde eins zu zehn mit unverfälschtem Wein vermischt. Doch die Labormethoden wurden verfeinert, und nun war die zehnfache Menge Wein als verfälscht erkennbar. Das erklärt die hohen Schadensziffern von hunderten Millionen Schilling. Kläranlagen brachen zusammen, weil Fälscher den Glykolwein einfach in den Kanal schütteten, nur um nicht erwischt zu werden. Hunderttausende Hektoliter Wein mussten zu Industriealkohol verbrannt werden.
Kunstweinerzeugung made in Austria
Im Sommer 1985 wurde dazu ruchbar, dass nicht nur gewöhnlicher Tafelwein zu Prädikatswein aufbereitet wurde, es wurden auch tausende Hektoliter Kunstwein erzeugt - also Flüssigkeiten, die wie Wein aussahen, auch so schmeckten, aber mit Wein nie in Berührung gekommen waren. Das Geständnis eines Beschuldigten vor Gericht zeigt die Größenordnung:
Man nehme:
- 18.000 l Wasser
- 5.500 kg Zucker
- 80 kg Diethylenglykol
- 80 kg Trockensirup
- 80 kg Weinsäure
- 30 kg Hirschhornsalz
- 40-50 l Glyzerin
- 3 kg Apfelsäure
- 15 kg Bittersalz
- 40 kg Pottasche
- 40 kg Weinsäure
- Die Menge der notwendigen Hefe richtet sich nach der Witterung.
Die Folgen
Der Skandal erreichte internationale Dimensionen, als im deutschen Fernsehen von Giftwein gesprochen wurde und vor laufenden Kameras Regale in Kaufhäusern vom österreichischen Wein gesäubert wurden. Die New York Times hatte den österreichischen Weinskandal auf der Titelseite. Sogar der australische Weinexport nach Asien brach kurzzeitig zusammen, weil man in Asien Austria mit Australia verwechselte.
Österreichs Weinexporte sind durch den Skandal über Nacht um 95 Prozent gesunken. Große Weinhandelsunternehmen gingen bankrott, auch wenn sie nicht direkt in den Skandal verwickelt waren; auch große Weinproduzenten mussten Insolvenz anmelden.
Die österreichische Weinwirtschaft leidet heute noch darunter, dass es nur sehr wenige große Betriebe gibt und der Weinbau von vielen kleinen Weinbauern besorgt wird. Andererseits wurde als Konsequenz des Skandals eines der schärfsten Weingesetze der Welt geschaffen. Österreichs Wein hat sich dadurch weltweit einen Namen gemacht; man schreibt über ihn in internationalen Medien, und zwar positiv. Der Export hat sich erholt und erreicht historische Höchstwerte. Österreichischer Wein findet sich heute auf den Weinkarten der besten Restaurants der Welt.
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Buch-Tipp
Walter Brüders, "Der Weinskandal", Verlag Denkmayr, ISBN 3901838457
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Wein aus Österreich