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Die Tiefseetaucher

Wie immer bei Wes Anderson geht es nicht so sehr um ausgefeilte Handlungsstränge, sondern prägnante Charakterbilder innerhalb einer Gruppe. In "Die Tiefseetaucher" ist das Steve Zissou, mutiger Forscher und zweifelnder Anti-Held zugleich.

Verschroben, ein wenig verloren, abgeklärt und dennoch irgendwie mit einer seltsamen Aura umgeben und in Teilbereichen des Lebens weit über den Fähigkeiten des gesellschaftlichen Durchschnitts zu stehen: Diesen Eindruck vermittelten die meisten Kunstfiguren in den Filmen des Amerikaners Wes Anderson. Eine derartige Figur ist auch der berühmte Tiefseeforscher Steve Zissou im Streifen "Die Tiefseetaucher", der bei einer Unterwasserexpedition seinen besten Freund durch einen Haiangriff verloren hat.

Wes Anderson im Interview

Jacques Cousteau war eine große Inspiration für mich, denn er war ein Held meiner Kindheit. Mein Bruder und ich saßen vor dem Fernseher und schauten uns all diese Forscher und Wissenschaftler an, die regelrechte Fernsehstars waren. Es gab Cousteau, dann Jane Goodall mit ihren National Geographic-Programmen oder Marlon Perkins, der sich immer in Afrika herumtrieb. Es war damals ein Genre, das heute leider nicht mehr existiert.

Sie zeigen aber weniger einen Helden, im Gegenteil. Sehen Sie Ihren Unterwasserforscher Steve Zissou nicht eher als eine Art Anti-Helden?
Auch das beruht auf meinen eigenen persönlichen Erfahrungen. Ich hatte immer wieder Leute als Fan bewundert und als ich sie dann persönlich kennen lernte, war ich oft enttäuscht. Ich habe dann ihre Schattenseiten gesehen. Es ging mir in meinem Film genau darum, die Seiten hinter der Berühmtheit aufzuzeigen, hinter Menschen zu schauen, die auf den ersten Blick viel größer erscheinen, als sie tatsächlich sind.

Ihre Filme sind einerseits Fantasiewelten, andererseits zeigen sie aber auch sehr realistische Blicke. Wie sehen sie dieses Verhältnis von Fantasie und Wirklichkeit?
Sehen Sie, das Setting zu diesem Film ist frei erfunden und in gewisser Hinsicht fühlte ich mich dabei Fellini nahe. Auch er hatte immer wieder ganz eigene Fantasiewelten geschaffen. Nehmen Sie etwa "Amacord". In diesem Film hat Fellini eine ganz eigene traumähnliche Atmosphäre geschaffen, doch in Wirklichkeit hat er die Geschichte seiner eigenen Kindheit durch seine Fantasie gefiltert. Bei mir ist das ähnlich: Der Streifen "The Royal Tenenbaums" zum Beispiel ist eine Art Fantasieversion von New York, aber die Figuren sind alle irgendwie mit mir über verschiedene Formen von Beziehungen verbunden. Es gibt viele exzentrische Menschen in meinem Leben, die mich beeinflussen. Es sind Außenseiter, die mich anziehen und die von mir angezogen werden. Das bringt auch eine gewisse Absurdität in meine Filme.

Ihr Film strotzt nur so von Details und Anspielungen. Glauben Sie, dass man diese Komplexität überhaupt beim ersten Mal entziffern kann, oder ist es notwendig, sich den Film mehrmals anzusehen?
Um alles zu verstehen, wohl schon. Ich glaube eigentlich nicht, dass der Film zu komplex geraten ist. Es gab schon Überlegungen, manches offensichtlicher zu machen. Aber ich habe mich derartigen Vereinfachungen letztlich verweigert, denn ich wollte schon, dass sich das Publikum mit dem Film auseinandersetzt, dass ich es dem Zuseher also auch wieder nicht zu leicht mache. Es geht mir gar nicht so sehr darum, dass der Zuschauer all meine Anspielungen entziffert, vielmehr sollte er mit sich selbst im Klaren sein, was mein Film für ihn oder sie bedeutet. Und andererseits, wenn sich jemand den Film tatsächlich mehrmals ansehen sollte, dann ist es doch wunderbar, wenn man immer wieder Neues entdecken kann. Also ich bedaure das keinesfalls.

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Die Tiefseetaucher
The Life Aquatic with Steve Zissou
USA, 2004
Mit: Cate Blanchett, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Anjelica Huston, Bill Murray, Owen Wilson
Drehbuch und Regie: Wes Anderson