Auf nach Guca!

Serbischer Trompetenrausch

"Guca ist nichts für schwache Gemüter!" hatte mich ein serbischer Schriftsteller, der in Wien lebt, gewarnt, "Besoffene Schweine grölen Tschetnik-Lieder, es stinkt nach Pisse und das Ganze bei 40 Grad!" Im August 2004 war es zwar nicht so heiß, aber der Rest stimmte.

Fast alles Negative, das man über Guca hört, stimmt. Serbische Nationalisten, Betrunkene, Abfall, teure Zimmerpreise, Gestank, 30 Kilometer Stau vor Guca, eine chaotische Organisation und zu wenig Parkplätze. Doch genauso stimmt der Spruch, der einem in Guca auf Schritt und Tritt begegnet: "Wer einmal in Guca war, wird immer wieder kommen." Guca, das bedeutet drei, vier Tage lang im Ozean des Trompetenklangs zu baden. "Das hat etwas Psychedelisches", bringt es Daniel Philipowitsch aus Stuttgart auf den Punkt, "diese Musik ist wie eine Droge!"

Im Zentrum des Trompetenuniversums

Guca liegt drei Autostunden südlich von Belgrad und ist ein Ort wie viele andere in Zentralserbien. 3.000 Einwohner, Kirche, Tankstelle und ein paar Straßencafés. Doch vier Tage im August befinden sich die Bewohner im Zentrum des Trompetenuniversums. Der Sound Dutzender Blechblaskapellen bringt den Ort zum Beben, und 400.000 Besucher kommen aus aller Welt, um das Klangspektakel zu erleben. Sie wollen dabei sein, wenn der beste Trompeter und das beste Orchester des Landes gekürt werden.

Trompeten gegen Sozialismus

Intellektuelle haben das Festival 1961 ins Leben gerufen, um dem Aussterben der Blechblaskapellen entgegen zu wirken. Die Besucher sind von den Orchestern, den Trachten und der Volksmusik begeistert, die sozialistische Regierung in Belgrad hingegen vermag die Begeisterung nicht zu teilen. Volkskultur gilt als rückschrittlich und reaktionär. Doch es gelingt den Organisatoren, das Festival gegen den Widerstand Belgrads fortzusetzen.

Kuhglocken, Karussell, Kommerz

Zunächst dauerte das Festival nur einen Tag, aber mit den Jahren wird es immer mehr ausgeweitet. Heute beginnt es bereits am Donnerstag der ersten Augustwoche und findet mit dem Hauptwettbewerb am folgenden Sonntag seinen Abschluss. Dazwischen sorgt ein abwechslungsreiches Programm dafür, dass es den Besuchern nicht langweilig wird. Das Festival ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Ort, daher wollen es die Organisatoren weiter ausdehnen. Sie träumen von den Besucherzahlen des Münchner Oktoberfestes.

Auf einem riesigen Jahrmarkt findet man Kleidung, Kuhglocken oder raubkopierte CDs ebenso wie Zierfische, Honig, Werkzeug oder kleine, russische Traktoren. Die Kinder zieht es besonders auf den Rummelplatz, zum Karussell oder zur Achterbahn.

Der Trompetenkrieg im Bierzelt

Für nicht wenige Fans ist das Essen mindestens ebenso wichtig wie die Musik. In etlichen Bierzelten stehen wackelige Plastikstühle für die hungrigen Trompetenfans bereit. Die Guca-Diät besteht aus Spanferkel, Lamm am Spieß und Kupus - Weißkraut, das stundenlang in riesigen Tontöpfen auf Holzkohle gegart wird. Dazu trinkt man Bier in rauen Mengen und Rakija - selbstgebrannten Obstschnaps.

Den ganzen Nachmittag und Abend ziehen die Brass-Bands durch die Bierzelte. Immer wieder klebt ein Zuhörer einen Geldschein an die schweißbedeckte Stirn eines Musikers. In den Zelten spielen oft drei oder vier Bands gleichzeitig. Manchmal überkommt einen das Gefühl, es herrsche Krieg und man sei zwischen die Fronten geraten. Die Trompete 40 Zentimeter von einem Ohr entfernt, die Tuba einen halben Meter vom anderen, Trommel und Becken wüten im Genick.

Die goldene Trompete für den Schüler

Am Sonntagnachmittag findet das Finale statt. Von über 100 Blasmusikkapellen können sich bei vier Vorausscheidungen 20 Bands für den Hauptwettbewerb qualifizieren. 2004 gewann der 18-jährige Schüler Veliko Ostojic die Auszeichnung für den besten Trompeter. Zum besten Orchester wird das von Fejat Sejdic gekürt, und den Publikumspreis erhält das Orchester Srjan Azirovic. Ein Sieg in Guca bedeutet, dass man für die teuersten Hochzeiten engagiert wird und ist damit bares Geld wert.

Am nächsten Morgen herrscht Katerstimmung. "Nun müssen wir wieder ein ganzes Jahr warten!", klagen die Bewohner von Guca.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 2. August 2008, 9:05 Uhr

CD-Tipps
"Fanfares en Délire - Golden Brass Summit", 40 Years of Guca: An anthology of the biggest brass festival in the world. Doppel-CD, Network Medien 39541

Boban Markovic Orkestar, "Boban I Marko - Balkan Brass Fest", Piranha Musik Berlin 1790

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