Qualifizierte Arbeitskräfte folgen ihren Jobs

Als Gastarbeiter nach Indien

Nach den in Billiglohnländer ausgelagerten Produktionen der Konzerne folgen nun auch die qualifizierten Arbeitskräfte ihren Jobs. 30.000 Ausländer - Remigranten und "echte"Gastarbeiter aus Europa und den USA - gibt es bereits in Indien. Tendenz heftig steigend.

Statements europäischer Arbeitskräfte in Indien

In den vergangen Jahren haben europäische und amerkanische Unternehmen Zehntausende Jobs nach Indien ausgelagert. Nun machen sich junge Europäer auf, um in Indien Arbeit zu suchen.

Ein Zehntel der Mitarbeiter aus Europa

Die Schwedin Marie Blomquist arbeitet im Call Center eines Internet-Reisebüros. Kunden aus Göteborg oder Stockholm rufen sie an, wenn sie mit der Homepage nicht zurecht kommen oder ihren Flug verschieben wollen. Die Anrufer haben keine Ahnung, dass Marie Blomquist nicht in Schweden arbeitet, sondern einige Tausend Kilometer entfernt in Neu Delhi. Von den 1000 Mitarbeitern der Firma Tecnovate stammen 100 aus Europa, unter anderem aus Finnland, Norwegen, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland.

Mit 600 Euro bereits Mittelschicht

Annika Teller, 27 Jahre, kommt aus Bremen. Sie hat Tourismuswirtschaft studiert und gleich anschließend bei der Firma Tecnovate in Delhi begonnen:

„Bisher habe ich die Entscheidung noch keinen Moment bereut.“

Das Unternehmen hat ihr den Flug bezahlt und stellt außerdem die Unterkunft inklusive aller Nebenkosten und einem Zimmermädchen, das putzt und morgens die Betten macht, kostenlos zur Verfügung. Zusätzlich bekommt sie verbilligte Mahlzeiten und den kostenlosen Transport zur Arbeit.

Als Teamleiterin verdient Annika Teller 600 Euro im Monat. Das hört sich wenig an, doch bei den indischen Preisen kann Annika Teller sogar jeden Monat einiges sparen. Eine Fahrt mit Delhis neuer U-Bahn kostet nur 20 Cent, ein Kinobesuch schlägt mit einem Euro zu Buche, und in einem einfachen Restaurant kann sie für zwei Euro duftendes Lammcurry mit frisch gebackenen Fladenbroten genießen. Mit 600 Euro zählt sie hier zur Mittelschicht.

reverse migration

Derzeit arbeiten etwa 30.000 Ausländer aus dem Westen in Indien, doch die Zahl steigt stark an. Experten sprechen von "reverse migration" - von einer umgekehrten Migration. Dieser Begriff umfasst einerseits die wachsende Zahl europäischer und amerikanischer Gastarbeiter in Indien, andererseits auch die Inder, die verstärkt in ihre Heimat zurückkehren.

Für diesen Trend sind zwei Hauptfaktoren verantwortlich: Seit dem 11. September haben die USA die Einwanderungsbedingungen verschärft, was die Migration behindert. Zum anderen saugt der Boom der indischen Wirtschaft Arbeitskräfte an. Letztes Jahr wuchs die indische Wirtschaft um acht Prozent, bei den IT-Dienstleistungen sogar um 30 Prozent.

Nachfrage an Spezialkräften enorm

Wie der Chef der Personalagentur Head Hunters India, Kris Lakschmikanth, berichtet, suchen alle seine Kunden verzweifelt nach Personal:

"Wenn ich nur 100 Mann kriegen könnte - sagen sie - die Aufträge hätten sie schon! Es ist ein Boom hier, das kann sich jemand in Österreich oder Deutschland, wo jeden Tag Unternehmen zusperren müssen, überhaupt nicht vorstellen“-

Speziell in Bereichen wie Mode, Gesundheit oder Biotechnologie suchen indische Unternehmen Mitarbeiter, die spezifisches Know-how aus Europa oder den USA mitbringen.

Leben wie ein Maharadscha

Kris Laksmikanth bereist regelmäßig die USA und Europa, um Spezialisten für indische Unternehmen anzuwerben:

"Es dauert einige Monate, bis sie den Kulturschock überwinden, denn Vieles funktioniert in Indien nicht so gut. Außerdem leben hier viel mehr Menschen, und die Straßen sind ständig überfüllt. Doch man gewöhnt sich auch schnell an den indischen Luxus. Man kann hier leben wie ein Maharadscha. Wer möchte da wieder heimgehen?“

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