Das rapide Verschwinden des viertgrößten Binnengewässers

Das Aralsee-Desaster

Der Aralsee, der noch vor 50 Jahren das viertgrößte Binnengewässer der Welt war, verschwindet mit beängstigendem Tempo. Laut Einschätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen handelt es sich um "eines der folgenschwersten Desaster des 20. Jahrhunderts".

Hauptgrund für diese Austrocknung des Aralsees ist die übermäßige Wasserentnahme aus den Zuflüssen Sir-Darya und Amu-Darya zur Bewässerung der Baumwollmonokulturen in den zentralasiatischen Staaten Usbekistan und Turkmenistan.

Es gibt bereits zwei Aralseen: einen kleineren im Norden und einen größeren im Süden. Aber auch der größere Südsee wird sich demnächst teilen. Der Geologe Anatolij Ni von der Akademie der Wissenschaften in Taschkent: "Der Amu-Darya erreicht den Aralsee nicht mehr. Diese starke Verminderung der Wasserzufuhr hat dazu geführt, dass die Oberfläche des Sees von 64.000 Quadratkilometern in den 50er Jahren auf heute 13.000 Quadratkilometer geschrumpft ist".

Der Aralsee hat also über 50.000 Quadratkilometer verloren, das ist eine Fläche größer als die Schweiz oder weit mehr als die Hälfte Österreichs.

Unmäßiger Einsatz von Chemikalien

Nicht nur die Versalzung der Böden ist ein Problem. Zur Steigerung der Erträge wurden in den Zeiten der Sowjetunion in horrenden Mengen chemische Mittel eingesetzt.

Der Limnologe Nikolaj Aladdin von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg: "In erster Linie handelt es sich um Düngemittel. Die zweite Kategorie sind Herbizide. Aber auch die Insekten sind ein Problem. Also hat man auch Insektizide versprüht. Die vierte Kategorie schließlich sind Entlaubungsmittel. Da die Baumwollfelder riesengroß sind, ist es fast unmöglich, diese gewaltigen Mengen Baumwolle mit der Hand zu pflücken. Daher wurden Maschinen verwendet. Aber die Maschine ist dumm, sie nimmt auch die Blätter mit. So tauchte die Idee auf, vor der Ernte Entlaubungsmittel einzusetzen, sodass die Maschine nur die Fruchtbüschel erntete. Es gab eine Zeit, da wurde "Butiforce" versprüht. "Butiforce" ist eine schreckliche Chemikalie, die man sogar mit militärischen Stoffen vergleichen kann, "Agent Orange" etwa. Erst unter Gorbatschow wurde es verboten, "Butiforce" zu verwenden."

Umwelt-Desaster

Viele Chemikalien werden in der Umwelt, in Pflanzen und Tieren akkumuliert. Die riesigen ausgetrockneten Flächen haben auch zu einer Klimaänderung geführt: es kommt immer öfter zu Stürmen. Dabei werden nicht nur Sand und Salz, sondern auch die am ehemaligen Seegrund abgelagerten Chemikalien aufgewirbelt.

Berechnungen haben ergeben, dass der Wind pro Jahr 43 Millionen Tonnen Staub in die Luft befördert, und darin sind auch jede Menge Schadstoffe enthalten. Die Folge: Bronchialasthma, Luftröhrenerkrankungen, aber auch Eisenmangel-Anämie und Tuberkulose treten im Aralsee-Gebiet weit häufiger auf als anderswo.

Hoffnungslosigkeit in Muynaq

In der ehemaligen Hafenstadt Muynaq sind Durchfallerkrankungen, aber auch Erkrankungen der Leber und anderer innerer Organe an der Tagesordnung. Vor einigen Jahrzehnten war es noch ganz anders hier.

In den 60er Jahren, zur Blütezeit, fanden in der Fischerei und fischverarbeitenden Industrie allein in Muynaq über 20.000 Menschen Arbeit. Heute niemand mehr, denn die Speisefische im Aralsee sind ausgestorben. Grund für das Aussterben ist die immer weiter fortschreitende Versalzung des Wassers im Aralsee.

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