Wendepunkt und Durchbruch

"Carmina Burana" und "Feuervogel"

Mittelalterlichen Handschriften aus dem Kloster und ein russisches Märchen als Ballett. Für Carl Orff bedeuten die "Carmina Burana" den Wendepunkt im bisherigen Schaffen, für Igor Strawinsky bringt "L'oiseau de feu" den internationalen Durchbruch.

"Carmina Burana" und "Der Feuervogel"

Carl Orff entdeckte 1934 die 1847 im Druck erschienenen "Carmina Burana" aus dem 12. Jahrhundert, eine Handschrift aus dem Kloster Benediktbeuern mit weltlichen Liedern verschiedenster Art, mehrheitlich in lateinischer Sprache. Bei der Vertonung fand Orff seine eigene musikalische Sprache:

Dieses Werk war ganz bewusst konzipiert, ich wusste auch gleich bei der Aufführung und habe deshalb sofort einen Brief an meinen Verleger geschickt, der frühere Werke von mir schon gedruckt hatte: "Sie können alles, was Sie vorher gedruckt haben, einstampfen und vernichten - mit 'Carmina Burana' beginnen meine gesammelten Werke." Wichtig war, dass ganz klar bei den 'Carmina Burana' eine geistige Aussage gemeint war, die über der musikalischen steht. Es hatte mich in dieser schwierigen Zeit - die Uraufführung war 1937 - interessiert, etwas zu konstatieren, was ich geglaubt habe und was nicht linientreu war und was nicht der allgemeinüblichen Meinung entsprach.

Wichtig war, dass ich die lateinische Sprache genommen habe, nicht als ein artistisches Experiment, ich wurde sehr gewarnt von meinen Freunden, wie kann man so etwas machen, ein lateinisches Werk, das niemand versteht! Das gerade war das Wichtige für mich, eine tote Sprache zu nehmen, denn die tote Sprache ist meiner Meinung nach das lebendigste, die tote Sprache bleibt, sie verändert sich nicht mehr, alle lebendigen Sprachen verändern sich.

Die Magie der Natur

Igor Strawinsky komponierte das Ballett "Der Feuervogel" für Serge Diaghilew und seine "Ballets russes". 1910 wurde das Stück - basierend auf einem russischen Märchen - uraufgeführt. Igor Strawinsky über die Premiere des Stücks über die Magie der Natur, vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse:

Am Ende der Vorstellung wurde ich zur Verbeugung auf die Bühne zitiert und mehrmals zurückgerufen. Ich befand mich immer noch auf der Bühne, als der Schlussvorhang gefallen war, und ich sah Diaghilew auf mich zukommen sowie einen düsteren Herrn mit Doppelstirn, den er als Claude Debussy vorstellte. Der große Komponist äußerte sich freundlich über die Musik und beendete seine Ausführungen mit einer Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen.

Einige Jahre später, als wir zusammen in seiner Loge eine Aufführung von "Pelléas" verfolgten, fragte ich ihn, was er wirklich vom "Feuervogel" hielte. Er sagte: 'Was wollen Sie, Sie mussten ja wohl mit irgendetwas anfangen." Ehrlich, aber nicht gerade sehr schmeichelhaft. Dennoch überreichte er mir kurz nach der Feuervogel-Premiere sein bekanntes Photo (die Profil-Ansicht) mit der Widmung "Igor Stravinski en toute sympathie artistique." Über das Werk, das wir an jenem Abend hörten, war ich nicht ganz so aufrichtig. Ich fand "Pelléas" insgesamt furchtbar langweilig, und das trotz vieler einzelner wundervoller Partiturseiten.

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