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"Katzelmacher" & Baudelaire-Quartett

Die Angst vor dem Fremden ist eine zeitlose Problematik: So hat Kurt Schwertsik 2003 Fassbinders "Katzelmacher" vertont, der nun im "Jugendstiltheater" Österreich-Premiere hat. Im "Odeon" stellt Clementine Gasser ihr Baudelaire-Quartett "Spleen de Paris" vor.

Die Angst vor dem Fremden und Unbekannten ist offenbar eine zeitlose Problematik. 1968 schrieb Rainer Werner Fassbinder darüber das Theaterstück "Katzelmacher". Mehr als drei Jahrzehnte später erscheint dieses Thema aktueller denn je. 2003 hat der Komponist Kurt Schwertsik Fassbinders Bühnenstück vertont. Der gebürtige Wiener schrieb seine Oper "Katzelmacher" im Auftrag der "Wupptertaler Bühnen". Nun zeigt die "Neue Oper Wien" das Vokalwerk in der Inszenierung von Leo Krischke, Walter Kobéra wird das "Amadeus Ensemble" leiten. Der "Katzelmacher" erzählt von der oftmals problematischen Begegnung mit dem Fremden. Im Mittelpunkt steht der griechische Gastarbeiter Jorgos, der zum Katalysator von Gewalt wird, aber auch von Illusionen, Träumen und Wünschen.

Die Premiere der österreichischen Erstaufführung im Wiener "Jugendstiltheater" findet nun am 20. Jänner statt. Der Wiener Komponist Kurt Schwertsik hat als stilistisch-ästhetischer Grenzüberschreiter eine unverkennbare Farbe in die österreichische Musiklandschaft gebracht. Nach avantgardistischen Anfängen in den 1960er Jahren, entwickelte er bald eine Musiksprache, die sowohl "subversive Unterhaltung" bieten soll, als auch "anspruchvolle Ordnung und Form". Erik Satie, John Cage, die "Beatles" und selbstverständlich Johann Sebastian Bach sind für Schwertsiks Schaffen von großer Bedeutung. Heuer feiert das Wiener Original seinen 70. Geburtstag.

Bürgerschreck im Weltschmerz

Zu Lebzeiten stilisierte sich Charles Baudelaire selbst zum Bürgerschreck. Er verblüffte, provozierte und schockierte seine Zeitgenossen. Sein Hang zum Extrem und seine Unverschämtheit sind aber jene Eigenschaften, die die Künstlerin Clementine Gasser an Baudelaire faszinieren. Nun hat die gebürtige Schweizerin Texte dieses Autors vertont. Am Sonntag, dem 23. Jänner, kommt ihr Baudelaire-Quartett "Spleen de Paris" im Wiener "Odeon" zur Uraufführung. Das Publikum erwartet eine Reise durch die menschliche Seelenlandschaft. Eine Textauswahl aus Baudelaires Gedichtsammlung "Spleen de Paris" wird auf Deutsch und Französisch rezitiert. Eingebettet wird das Gesagte in Musik von Violoncello und Schlagzeug. Auf dem Cello ist die Komponistin selber zu hören.

Schon seit Jahren gehen Clementine Gassers Aktivitäten als Komponistin und Cellistin Hand in Hand. Ihre Instrumentalausbildung erhielt die gebürtige Schweizerin in ihrer Heimat. Vor einem Jahrzehnt kam Gasser nach Wien, wo sie seither lebt. Nach neoromantischen Anfängen entwickelte die Künstlerin eine Stilrichtung, die sie als "Subversive Klassik Avantgarde" bezeichnet. Zentraler Ausgangspunkt ihrer Musik ist das Violoncello. Dabei besitzt ihr Instrument eine Besonderheit: Es verfügt über eine fünfte Saite, nämlich ein Kontra-F. Somit klingt das Instrument noch eine Quinte tiefer als herkömmliche Violoncelli. Selbstverständlich kostet Clementine Gasser auch erweiterte Spieltechniken auf ihrem Instrument aus. Vor über einem Jahr veröffentlichte sie ihre erste Solo-CD "Pioneer 23".

Kanchelis in Trauer gehüllte Musik

Was das Wort "Diplipito" bedeutet, wissen nur Eingeweihte. Dennoch trägt eine neue CD des Labels ECM diesen Namen. Darauf findet sich neben dem "Valse Boston" auch jenes Stück, dem das Album seinen Titel verdankt: nämlich das Vokalwerk "Diplipito". Beide Kompositionen wurden vom gebürtigen Georgier Giya Kancheli geschrieben. Und beide Werke zeigen die unverwechselbare Handschrift des Doyens der "dynamischen Musik". Sanfte, introvertierte Passagen vermögen zu berühren. Aber dann gibt es doch immer wieder Momente, in denen sich die Musik aufbäumt. Mit ihrer Lautstärke und den mitunter geschärften Harmonien wirken diese Momente bedrängend und beklemmend. Sehr bald aber wird die Sicht wieder klar, Milde und Reinheit bestimmen das Geschehen. Dazwischen blitzen gelegentlich Akkorde auf, die erinnern, dass Giya Kancheli dem Jazz sehr zuneigt ist und auch langjährige Erfahrungen als Komponist von Film- und Theatermusik gesammelt hat. Die dominierende, ruhige Ausstrahlung seiner Kompositionen und die Art der Harmonik verleiten immer wieder dazu, seine Musik mit jener von Arvo Pärt zu vergleichen. Aber, egal, ob wild oder sanft - die Musik von Giya Kancheli ist von Trauer eingehüllt.

Der Künstler, heute der prominenteste zeitgenössische Komponist Georgiens, feiert heuer seinen 70. Geburtstag. Seit 1996 lebt er in Antwerpen. Und inzwischen ist er mit seinen Kompositionen auch im Konzertgeschehen "des Westens" heimisch geworden: seine Werke stehen regelmäßig auf den Programmen internationaler Festivals und werden auch von namhaften Orchestern (New York Philharmonic Orchestra, RSO Wien, Stuttgarter Kammerorchester u. a.) und Interpretinnen und Interpreten (so z.B. Mstislaw Rostropowitsch, Gidon Kremer, Kim Kashkashian) aufgeführt.

CD-Tipps
Clementine Gasser: Solo-CD "Pioneer 23", WKM 2003/03

"Giya Kancheli: Diplipito", ECM New Series 1773, 4720822

Opern-Tipp
"Neue Oper Wien" im Wiener "Jugendstiltheater": "Katzelmacher" von Kurt Schwertsik, Premiere der österreichischen Erstaufführung: 20.Jänner 2005, weitere Vorstellungen: 22., 27. und 29. Jänner sowie am 2. Februar, Beginn: jeweils 20:00 Uhr.

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