Die gemeinsamen Wurzeln der Abrahamsreligionen
Chance für den Frieden
Obwohl der Konflikt um Palästina die Angehörigen der drei Abrahamsreligionen trennt, bemühen sich jüdische, christliche und auch muslimische Theologen in den letzten Jahrzehnten, die gemeinsamen Wurzeln herauszuarbeiten.
8. April 2017, 21:58
Karl Josef Kuschel über die drei Abrahamsreligionen
Der Glaube an den Gott Abrahams, den Gott des Mose, verbindet Judentum, Christentum und Islam trotz aller Unterschiedlichkeiten. Heute trennt der Konflikt um Palästina die Angehörigen der Religionen - ein politischer Konflikt, der ein Erbe des europäischen Kolonialismus ist.
Dennoch bemühen sich immer wieder jüdische, christliche und muslimische Theologen wie etwa Karl Josef Kuschel und Ägyptens Religionsminister Hamid Zakzouk, die gemeinsamen Wurzeln der drei Abrahamsreligionen herauszuarbeiten, um die Chance auf Frieden aufrechtzuerhalten.
Abraham - der gemeinsame Anker
"Die Globalisierung ist eine Herausforderung für die Bindekräfte zwischen den Menschen. Der gemeinsame Dialog zwischen den Religionen ist dabei das einzige Mittel, um langfristig Frieden zu finden", sagt der deutsche Theologe Karl Josef Kuschel. Für Juden, Christen und Muslime gebe es auch eine Gestalt, die der Anker für ein gemeinsames Gespräch sein könne: nämlich Abraham. In ihm erblickten alle drei den Vater ihres Glaubens:
"Diese gemeinsamen Wurzeln möchte ich so definieren: Juden, die sich in ihrem konkreten Leben nach Mose, ihrem Lehrer, richten, Christen, die sich nach Christus orientieren und Muslime, die ihr Leben konkret nach der Botschaft ihres Propheten ausrichten - sie alle erkennen ihre besondere Verbindung miteinander, Achtung voreinander und Verantwortung füreinander, weil sie ihren gemeinsamen Ursprung ernst nehmen".
Kein Absolutheitsanspruch
Der ägyptische Religionsminister und islamische Theologe Mahmoud Zakzouk zitiert in diesem Zusammenhang den Tübinger Hans Küng, der im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils dazu aufgerufen hat, den Absolutheitsanspruch der Religionen nicht zu akzeptieren:
"Die Menschheit steht heute in einer historischen Entscheidungssituation. Wir haben die Wahl zwischen der Arroganz der Fundamentalisten und der Religionstoleranz. Die Vorbedingungen für einen gelingenden Dialog sind Respekt und Toleranz für den jeweils anderen und seine Religion. Respekt für den anderen und die Achtung der Menschenwürde sind die ersten Schritte für Toleranz. Sie muss aber auch aktiv gelebt werden".
Für Muslime ist der Prophet Mohammed das Vorbild für gelebte Toleranz. Sie sei eine Art geistiger Waffenstillstand - so Zakzouk - und erlaube, Abstand zu nehmen und zum Zentrum des eigentlichen Geschehens vorzudringen, zu verstehen und praktische Lösungen zu finden.
Vernetztes Denken
Für den deutschen Theologen Karl Josef Kuschel ist der genealogische Wurzelstock zu wenig, um einen Weg aus den Konflikten der Religionen zu finden. Wie sich dieser Weg zum Frieden gestalten lässt, hat er beim israelischen Schriftsteller Amos Oz gefunden:
"Seine Romane haben vor Augen geführt, dass man sich jeweils in die Lage des anderen versetzen und auch in die Haut jener schlüpfen muss, die unsympathisch sind, die man hasst. Wir brauchen zwar Eigenständigkeit, aber wir brauchen auch Vernetzung, ein vernetztes Denken zwischen den Religionen: Es ist mir nicht egal, was im Islam passiert oder dass im Namen des Judentums Gewalt ausgeübt wird, und es ist mir auch nicht egal, wenn ein hegemonialer Krieg gegen den Irak geführt wird. Wir brauchen das 'In-Wurzelwerken-Denken'"
Dialog erfordert Anstrengungen
Auf dem Weg des Dialogs zwischen den Religionen seien der Fundamentalismus und der Verlust des Respekts vor dem anderen die größten Stolpersteine, sagt Mahmoud Zakzouk. Als Grundlage für ein Miteinander habe zu gelten: "Nichts Wertvolles soll in den anderen Religionen negiert, aber auch nichts Wertloses soll kritisch akzeptiert werden". Auch wenn der Islam heute oft den Eindruck einer intoleranten Religion erwecke: Mit den Lehren des Koran stimme das nicht überein:
"Seine Lehren fordern zu einem friedlichen Dialog auf. Dieser Dialog erfordert viele Anstrengungen: den Kampf um innere Disziplin und Gerechtigkeit. Jeder ernsthafte Versuch zählt; er bedeutet Hoffnung und eine neue Chance. Wir haben sie nur zu ergreifen".
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