Eine Katastrophe biblischen Ausmaßes?

Die große Flut

Praktisch in allen großen Religionen und Mythen der Erde wird von einer "großen Flut" berichtet. Im Angesicht des unfassbaren Ausmaßes des Seebebens in Südostasien wird man an die biblischen Dimensionen aus der Genesis über die Sintflut erinnert.

Statement von Caritas-Präsident Franz Küberl

War in der ersten Agenturmeldung der APA über eine Flutwelle in Indonesien am 26. Dezember um 4 Uhr 32 von neun Toten die Rede, so mussten die Opferzahlen ständig nach oben korrigiert werden. Erst langsam realisierte die Welt, dass das Seebeben eine der größten Naturkatastrophen der Menschheit ausgelöst hat. Fernsehteams aus aller Welt haben schon bald Bilder geliefert. Und auch Urlauber haben die Flutwelle mit ihren Videos festgehalten. Weltweite Hilfe, aber auch Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit sind angesichts des Ausmaßes die Folge. Und auch die Frage nach Gott ...

Warum lässt Gott das zu?

Nach der ersten Phase des Schocks und der Trauerbewältigung kommt häufig die Sinnfrage. Mythen und archaische Bilder tauchen nach Naturkatastrophen immer wieder auf. Von Sintflut ist zuweilen die Rede, oder von einer Katastrophe "biblischen Ausmaßes". Warum lässt Gott das zu?

Katastrophen - wie die Flut in Südostasien - lassen für viele Gläubige die sogenannte Theodizee-Frage wieder aktuell werden: Die Frage, wie der Glaube an Gott mit der Existenz des Leidens in der Welt vereinbar ist. Eine Frage, die dann auftaucht, wenn Leiderfahrung zusammenprallt mit dem Bild eines liebenden Gottes. "Das gehört beides zusammen“, so der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Michael Bünker:

"Wenn wir uns einen Götterhimmel vorstellen mit guten und bösen und positiven und negativen Gottheiten, dann ist das nicht so ein Problem, dann kann man sagen, es gibt einen Kampf zwischen Gut und Böse im Himmel, und der spiegelt sich auf der Erde wider“.

Wie kann man das ertragen?

Der römisch-katholische Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner sagt, aus der Sicht einer seriösen Theologie könne man auf die Frage, warum Gott Leid zulasse, keine Antwort geben. Er spricht sich dafür aus, nicht die Frage zu stellen "Wie kann ich das verstehen?“ sondern eher die Frage "Wie kann ich das ertragen?“ Und dabei erinnert er an die alte jüdisch-christliche Tradition, die sich im Buch Hiob zeige. Dort werde klar ausgedrückt, dass ein Mensch so sehr ins Leid getrieben wird, bis deutlich wird, dass es überhaupt kein Leid gibt, das ihn davon abbringe, an Gott zu hängen.

Strafende oder rettende Sintflut?

Weltuntergangsszenarien kennen beinahe alle Religionen. Das Wasser wird dabei oft als zerstörerische Kraft beschrieben. Die Geschichte von der Sintflut und der Errettung Noahs durch die Arche findet sich im Alten Testament. Die Erzählung von der Sintflut beginnt mit der Entscheidung Gottes, alles Lebende zu zerstören, weil die Menschen böse geworden waren. Die Erzählung endet mit der Rettung der Menschen. Sie kann auf zweierlei Arten gelesen werden. Erstens als eine Geschichte eines strafenden Gottes, aber auch und vor allem als eine Geschichte eines schlussendlich rettenden Gottes.

Globalisierung des Guten

Nach den verheerenden Auswirkungen des Seebebens spricht die UNO bereits von der bisher größten weltweiten Hilfsaktion aller Zeiten. Caritas-Präsident Küberl dazu:

"Katastrophen zeigen nicht nur die zerstörerische Kraft der Natur, sondern sie machen auch deutlich, wie sehr Menschen weltweit aufeinander angewiesen sind. Die Katastrophe in Südostasien führt der westlich-industrialisierten Welt vor Auge, dass die Frage der Verteilung der Güter in Zukunft noch intensiver als bisher diskutiert werden muss".

Küberl spricht im Zusammenhang mit den Folgen des verheerenden Seebebens von der Hoffnung auf eine Globalisierung des Guten. Angesichts weltweiter Solidarität und der gegenseitigen Hilfe von Opfern in den Katastrophengebieten sei er optimistisch, dass diese Globalisierung des Guten gelingen könne.

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