Italienische Musik in der Zwischenkriegszeit

Mussolini und die "Negermusik"

Während 1924 zu Beginn des Faschismus-Regimes in Italien noch ausländische Lieder mit übersetztem italienischen Text zu hören waren, wurde 1940, bevor Mussolini den USA den Krieg erklärte, Jazz und Swing absolut verboten. "Negermusik" existierte nur im Untergrund.

Alberto Rabagliati mit "Ba ba Baciami piccina" (Ausschnitt)

1924, zwei Jahre nachdem der Faschismus in Italien an die Macht gekommen war, verfügte die faschistische Partei, dass ausländische Lieder in Italien mit übersetztem italienischen Text aufzuführen seien. Auch Namen ausländischer Künstler blieben nicht verschont, Louis Armstrong wurde wörtlich zu Luigi Braccioforte übersetzt und aus Benny Goodman wurde Beniamino Buonomo.

Die EIAR-Musik

Die musikalische Italianisierung betraf bald den im gleichen Jahr gegründeten italienischen Rundfunk, die EIAR. 1927 hatte sie bereits 177.000 zahlende Hörer. Wer sich bei Radio Napoli anmeldete und die 8,75 Lire Gebühr bezahlte, durfte sich ein Begrüßungsgeschenk ausssuchen: Einen Gillette-Rasierer oder eine Flasche Marsala Florio. Fast allabendlich übertrug die EIAR-Musik aus Tanzlokalen in Turin, Mailand, Rom oder Neapel. Und 1929 gab es eine tägliche Sendung namens "EIAR-Jazz“.

"musica negroide"

Der Faschismus empfand den Jazz als "musica afro-demo-pluto-giudo-masso-epilettoide“, eine Wörterschlange voller Feindbilder, in der wir die Afrikaner entdecken, die Demokraten, die Plutokraten, die Juden, die Freimaurer und die Epileptiker. Wollte sich die Partei kürzer ausdrücken, sprach sie von "musica negroide“. Es sei ruchlos und die Tradition und die Rasse beleidigend, behauptete die Zeitung "Il Popolo d’Italia“ 1928, wenn man Violine, Gitarre und Mandoline auf den Dachboden verbanne, um den Saxofonen Platz zu machen.

Darüber hinaus sei es dumm, lächerlich und antifaschistisch, so die Zeitung weiter, angesichts der Bauchtänze einer Mulattin in Wonne zu zerfließen. 1930 wurde die Jazz-Sendung des Radios abgesetzt, das Wort Jazz fiel nicht mehr bis Ende 1935. Ein wenig toleranter wurde das italienische Radioprogramm in den Jahren 1936/37. Die EIAR formierte sogar ein eigenes "Quartetto Jazz“, das man allerdings nicht mehr lange hörte.

Jazz und Swing im Untergrund

Schon 1938 wurde Jazz schlagartig aus dem Programm gestrichen. Am Abend des 20. Juni freilich trat Gorni Kramer mit seinen Solisten im Radio auf und spielte hintereinander die Titel "Questo é swing", "Piano stomp", "After you’ve gone", "Diga Doo", "Stardust" und den "Tiger rag". Danach wurde er mit seinem Akkordeon nie wieder vor ein Radiomikrofon des Regimes gelassen.

Doch der Swing aus Amerika war mittlerweile aus der italienischen Unterhaltungsmusik nicht mehr wegzudenken. Auch die Superstars der "musica leggera“, der leichten Musik der 30er und 40er Jahre, beispielsweise der Sänger Alberto Rabagliati und die drei Schwestern vom Trio Lescano, lebten vom "swing italiano“.

Im Juni 1940, im Jahr bevor Mussolini den USA den Krieg erklärte, verbot das Regime das Tanzen in der Öffentlichkeit, Nachtlokale wurden geschlossen, Jazz absolut verboten, jüdische Komponisten und Autoren mit Bann belegt. Die "Negermusik“ existierte weiter, aber im Untergrund.

Musikalisches Panorama zu Ecos neuem Roman

Hausgemachte italienische Unterhaltungsmusik der Zwischenkriegszeit stellt die Tonspur zum neuen Roman Umberto Ecos dar, der derzeit die Bestsellerlisten anführt. Da dem Buch mit dem Titel "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana" keine Musik-CD beiliegt, haben die "Spielräume Spezial" diese Tonspur rekonstruiert und hörbar gemacht. Michael Schrott gestaltete ein Panorama all dessen, was Kids und Teenager zwischen Ende der 30er und Ende der 40er Jahre verschlungen haben. Zu hören am Sonntag, dem 19. Dezember, 17:10 Uhr.

Buch-Tipp
Umberto Eco, "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana", Hanser Verlag, ISBN 3446205276

Links
Ba ba Baciami piccina - ital. Site
Hanser-Verlag - Infos zum Buch