Südafrika und der Todesvirus

Die Aids-Katastrophe

Südafrika ist nach Ansicht vieler Experten das am schwersten von Aids betroffene Land: Fünf bis sechs Millionen Einwohner sind mit dem HIV-Virus angesteckt, die durchschnittliche Lebenserwartung ist um mehr als zehn Jahre gesunken. Die Politiker reagieren zögerlich.

Besuche in Betreuungszentren für Aids-Kranke

Die Realität der sich rasant ausbreitenden AIDS-Epidemie überlagert heute fast alle Lebensbereiche in Südafrika. Niemand entkommt diesem Thema, und AIDS ist längst auch zu einem Politikum geworden.

Lebenserwartung unter 50

Südafrika gilt heute als das von AIDS am schwersten betroffene Land der Welt. Fünf bis sechs Millionen der insgesamt 45 Millionen Einwohner sind mit HIV infiziert. Unter der sexuell aktiven Bevölkerung zwischen 15 und 50 sind es mehr als ein Viertel, und das ist auch der ökonomisch aktive Teil der Bevölkerung. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist seit 1994 von 61 auf unter 50 Jahre gefallen. Dennoch liefert sich die politische Klasse des Landes seit Jahren einen heftigen Streit um Ausmaß, Ursachen und Gegenstrategien.

Zögerliche Maßnahmen

Während in vielen anderen Ländern längst so genannte anti-retrovirale Medikamente im Einsatz sind, die bei Infizierten den Ausbruch der Krankheitssymptome auf viele Jahre hinauszögern oder sogar verhindern können, hat die Regierung unter Staatschef Thabo Mbeki erst im November 2003 der landesweiten Ausgabe solcher Medikamente zugestimmt. Während einige Nachbarstaaten Südafrikas - wie Mozambique oder Lesotho - schon frühzeitig mit massiven Aufklärungs-Programmen begannen, stritt man in Südafrika, ob Aids überhaupt eine Krankheit sei, so der Kapstädter AIDS-Spezialist und Arzt Ashraf Grimwood:

"Unsere Vorbeuge-Strategien waren bisher wenig erfolgreich, auch weil sich unsere Regierung, allen voran Präsident Thabo Mbeki, nicht wirklich aktiv für Therapie und Prävention einsetzt. Es fehlt an Führungskraft, wenn es darum geht, den Jugendlichen deutlich vor Augen zu führen, welch schreckliche Folgen ein riskantes Verhalten haben kann. Die Regierung hat AIDS auch auf ein Problem der Armut reduziert, oder u. a. behauptet, dass Tuberkulose zu falschen AIDS-Test-Ergebnissen führt.“

Buhmann Mbeki

Präsident Thabo Mbeki erntete sogar von der eigenen Regierungspartei ANC Kritik, vor allem aber von der Opposition. Sheila Camerer von der liberalen, vorwiegend von Weißen gewählten Demokratischen Allianz:

“Einen Teil der Schuld, dass so wenig geschehen ist, trägt unser Präsident. Er hat es jahrelang verabsäumt, dass die Krankheit mit ARV-Medikamenten und anderen speziellen Therapien behandelt wird. Er hasst die Vorstellung einer Krankheit, die vorwiegend vor allem schwarze Südafrikaner betrifft. Seine Einstellung hat auch viel mit Traditionen zu tun, in denen Frauen keine Rechte haben und sich schwer tun, auf einen Schutz beim Sex zu beharren. Die vorerst zögerlichen Kampagnen haben vielleicht in den Städten etwas bewirkt, aber sicher nicht auf dem Land."

Versäumnisse eingestanden

Inzwischen hat sich auch die ANC-Regierung zu einem offensiven Anti-AIDS-Programm entschlossen. Naledi Pandor, seit den letzten Wahlen Erziehungs-Ministerin im Kabinett, gesteht auch Versäumnisse in der Vergangenheit durchaus ein:

„Wir haben schon seit einiger Zeit ein erfolgreiches Programm, nur in den Bereich Therapie hat der Staat vielleicht nicht genug investiert. Aber jetzt hat die Regierung das Budget dafür beschlossen. Wir werden AIDS-Medikamente in staatlichen Kliniken überall im Land kostenlos zur Verfügung stellen. Aber es ist klar, dass das durch geschultes Personal zu erfolgen hat und dass nicht jeder anti-retrovirale Medikamente ausgeben kann. Denn Medikamente allein können das HIV-Problem auch nicht lösen. Die Lösung ist, sich nicht zu infizieren; vor allem das muss bewusst gemacht werden.“

Zukunftsaussichten erschütternd

Die Experten-Prognosen für die nächsten Jahre sind jedenfalls alarmierend genug, um so schnell wie möglich zu handeln, wie Ashraf Grimwood nur allzu deutlich unterstreicht:

“Bis 2020 werden sieben Millionen Menschen sterben. Das wird auch dramatische Auswirkungen auf die staatlichen Dienstleistungen haben. Ärzte und Pflegepersonal sind betroffen, Polizisten und auch der private Sektor, etwa im Tourismus und Bergbau. Zynisch könnte man sagen, wir können jetzt die Industrie automatisieren oder so das Arbeitslosenproblem lösen. Es fehlt mir jedenfalls nach wie vor an Entschlossenheit, unsere Nation vor solchen Perspektiven zu retten. Wir haben jede Woche eine Tragödie im Ausmaß des 11. September, auch wenn man auf der Straße nicht wahrnimmt, dass faktisch jeden Tag ein oder zwei Flugzeugladungen Menschen sterben.“

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Links
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