Die Beschwörung des Schönen

Die Geschichte der Schönheit

Laut dem, von Umberto Eco herausgegebenen Buch, hat sich das ästhetische Empfinden seit Jahrtausenden kaum verändert. Dieses Buch ist eine Tour de force durch die Kunstgeschichte, wobei mit Kunst die Beschäftigung mit dem Schönen gemeint ist.

Es ist ein Irrtum zu glauben, der menschliche Geist ließe sich durch die Erfahrungen aus der Geschichte verändern. Das ästhetische Empfinden etwa hat sich seit Jahrtausenden kaum verändert. Das zumindest lehrt uns die Lektüre der Geschichte der Schönheit, ein opulent aufbereitetes Buch, das, wie auf dem Einband zu lesen ist, Umberto Eco herausgegeben hat.

Nach längerem Suchen erfahren wir klein gedruckt, dass er einige Kapitel auch verfasst hat. Den Rest hat ein gewisser Girolamo de Michele geschrieben, über den wir allerdings nichts Näheres erfahren. Was auch egal ist, weil dieses Buch nichts analysiert.

Beliebigkeit der seelenlosen Zusammenfassung

Man könnte das Buch auch Basiswissen Kunst betiteln. Jedes Kapitel mit so schön didaktischen Überschriften wie Das ästhetische Ideal Griechenlands oder Licht und Farbe im Mittelalter fasst wie ein Lexikon die wichtigsten ästhetischen Theorien zusammen, was natürlich bald an Grenzen stößt, wenn man komplexe Begriffe wie Das Erhabene oder gar Avantgarde auf wenigen Seiten abhandeln will.

Da muss selbst ein Simplifizierer und Geschichtenerzähler wie Umberto Eco sich in die Beliebigkeit der seelenlosen Zusammenfassung flüchten. Das Denken überlässt er dem Leser, indem er kommentarlos das Hochglanzpapier mit vielen langen Zitaten aus der Primärliteratur und noch mehr Bildbeispielen zukleistert.

Kein Interesse?

Die Avantgarde verbindet er mit der Schönheit der Provokation, die Pop-Art mit der Schönheit des Konsums. Irgendwo in den sechziger Jahren versickert sein Interesse an der Kunst oder vielleicht fällt ihm dazu nichts mehr ein, was ich aber nicht glaube, war es doch gerade die Postmoderne, die den Schönheitsbegriff erneut zur Diskussion stellte, die die Entideologisierung des Begriffes erst ermöglichte, die die Form als Selbstzweck postulierte.

Und Eco war einer der Protagonisten dieser Postmoderne, in der es möglich war, einen Roman zu schreiben, der einerseits als intertextuelles Geflecht funktioniert, in dem alles ein Netz von Verweisen ist, der aber zugleich als wohlgeformter, schöner, spannender, unterhaltsamer Text zu konsumieren ist.

Emotionaler Mehrwert

Die Offenheit des Kunstwerks, ein grundlegendes Merkmal der Moderne, ist damit in ihr letztes Stadium getreten: es geht nicht mehr um Vieldeutigkeit, sondern um den emotionalen Mehrwert. Damit ist das Kunstwerk auf die Stufe der Werbung gelangt. Es geht darum, möglichst viele Menschen zu einer emotionalen Gemeinschaft zu verschmelzen, zur Community.

Die Kunst schafft also Nischen der Intimität dort, wo die Politik das Vertrauen in die Solidarität auflöst und den Individualismus forciert. In einem solchen Prozess wächst die Sehnsucht nach dem Schönen nicht als zu hinterfragender Begriff, sondern als konstanter Wert. Man möchte daran glauben, weil das Schöne verschwistert mit dem Guten ist.

Beschwörung des Schönen

Umberto Eco trägt diesem Bedürfnis Rechnung, als Schriftsteller, indem er die Geschlossenheit eines erzählerischen Kosmos suggeriert, und als Exeget der Kunstgeschichte, der einen Begriff über die Jahrtausende retten möchte, der in Wirklichkeit in keinem ernst zu nehmenden Kunstdiskurs mehr funktioniert.

Das Schöne zu beschwören ist wie an ein Wunder zu glauben. Es ist anheimelnd, aber verlogen. Und gefährlich, wie jede Chimäre.

Buch-Tipp
Umberto Eco (Hrsg.), "Die Geschichte der Schönheit", Hanser Verlag, ISBN: 3446204784