Durch Liszt in europäisches Musiksystem integriert

Vom Exoticum zur musikalischen Weltsprache

Spätestens im ausgehenden Mittelalter wurde die ungarische Musik ein Bestandteil der gesamt-europäischen. Der Ö1 Schwerpunkt "Nebenan - Ungarn" reflektiert über die Faszination des Magyarischen, die nicht nur auf Musiker wie Liszt und Bartók wirkte.

Die ungarische Musik ist spätestens im ausgehenden Mittelalter Bestandteil der gesamteuropäischen Musik geworden. In Tanzsammlungen des 14. Jahrhunderts finden wir "balli ungharesi", welche höfische Tanzfeste mit einem Hauch von Exotischem bereichern sollten. Denn als exotisch und fremd galt dieses Idiom durchaus trotzdem.

Die Besonderheiten der magyarischen Tonsysteme waren auch nicht so ohne weiteres in die traditionelle europäische Musiktheorie einzubringen. Wenn also in den nächsten Jahrhunderten "Ungarisches" eingebracht wurde, so geschah dies als Besonderheit mit dem Gestus der Aufmerksamkeit. Neben Joseph Haydn waren es vor allem die Meister der klassischen Wiener Unterhaltungsmusik, also Lanner, Strauß Vater und Sohn, die sich Elemente der ungarischen Musik zu eigen machten.

Von Liszt bis Bartók

Franz Liszt, von seinen Zeitgenossen als "Gloria della Ungheria" - als Ehre Ungarns bezeichnet - , gelang es, im Zuge seiner Suche nach Neuem, traditionelle Aspekte ungarischer Musik mit jenen der "neudeutschen Schule" zu verbinden und somit endgültig in das gesamteuropäische Musiksystem zu integrieren.

Von dort ausgehend gelang Béla Bartók im 20. Jahrhundert ein weiterer Schritt. Liszt, den als Vorbild anzuerkennen er sich nie scheute, scheinbar zurücknehmend, bediente er sich radikal grundlegender Elemente der ungarischen traditionellen Bauernmusik und kam so zu einem völlig neuen Idiom, welches in melodischer und harmonikaler Struktur durchaus denselben innovativen Impetus wie die Bemühungen der Wiener Schule rund um Schönberg hatte. Mit ihm und durch ihn wurde das "Ungarische" zu einer musikalischen Weltsprache.

"Ungarisches" auf beiden Seiten

Dass Ungarn als Musikland aber seit dem Spätmittelalter nicht nur in exotischer Hinsicht ein Teil Europas ist, dafür Zeugen etwa die erfolgreichen Bemühungen am Königshof in Buda im ausgehenden 15. Jahrhundert, namhafte Musiker aus Italien und Deutschland zu engagieren.

Der wichtigste von ihnen war der Schlesier Thomas Stoltzer, einer der originellsten Köpfe an der wende vom Mittelalter zur Neuzeit, der mit seinen Ricercaren in allen Tonarten und seinen deutschen Psalmen Neuland in der Instrumental- und der Vokalmusik betreten hat.

Die Bedeutung der Esterházys

Aufs Engste mit der politischen Geschichte Ungarns gleichermaßen wie jener der anderen habsburgischen Länder, aber auch mit jener der europäischen Musik ist das Fürstenhaus Esterházy, das im Palatin Pál nicht nur den Gründer der nachmals berühmten Hofkapelle, sondern auch einen begaben Komponisten und höchst aktiven politischen Kopf hervorgebracht hat.

Wie sehr das Interesse für Ungarn auch diesseits der Leitha gegeben war, belegen Werke wie der "Pesther Walzer" von Lanner oder der "Zigeunerbaron" von Johann Strauß. Die Musik war zwischen den Ländern an diesem Grenzfluss ein geschätztes Austauschgut, welches herüben wie drüben geistig zu befruchten und zu unterhalten vermochte.