Jedem seine kleine Welt

Das Badezimmer

"Das Badezimmer" aus der Feder des belgischen Autors Jean-Philippe Toussaint ist die Inszenierung einer Weltverweigerung. Der Ich-Erzähler kehrt der Welt den Rücken und zieht sich bis auf Weiteres in sein Badezimmer zurück.

Das ist das Neue an Toussaints "Das Badezimmer", der sich als Autor durchaus auf den "Nouveau roman" beruft: Die Welt und das, was sich in ihr ereignet, wird minimalistisch dargestellt, in kurzen, aber sehr durchdachten Sprachbildern und in abgezirkelten Räumen. Somit entfaltet sich die Welt von innen heraus. Dennoch lässt sich fragen wie ein Autor auf die Idee kommt, seinen Romanhelden im und rund um ein Badezimmer agieren zu lassen. Jean-Philippe Toussaint antwortet darauf so:

"Ich glaube, was gut ist, ist, dass diese Idee ganz instinktiv entstand, ohne langes Nachdenken. Ich habe kein literarisches Casting veranstaltet und geschaut, welcher Raum passt. Im Buch lauten die ersten Sätze: 'Als ich begann, meine Nachmittage im Badezimmer zu verbringen, hatte ich nicht vor, mich dort einzurichten; nein, ich verlebte angenehme Stunden da, hing in der Badewanne meinen Gedanken nach, mal in Kleidern, mal ohne.' Das ist also der erste Satz, aber ich habe ihn nicht als Beginn des Romans geplant gehabt."

Jean-Philippe Toussaints Roman "Das Badezimmer" ist erstmals 1987 auf Deutsch erschienen. Mittlerweile gab es eine Neuübersetzung von Joachim Unseld, das Buch erschien auch in seiner Frankfurter Verlagsanstalt. Durch keinen Geringeren als Samuel Beckett wurde Unseld auf Toussaint aufmerksam gemacht.

Ein Hotelzimmer in Venedig

Zur Welt von Toussaints Romanheld gehört nicht nur dessen Badezimmer, sondern auch eine geräumige Pariser Wohnung und eine Reise nach Venedig, ein Ort, an dem der Held nur selten sein Hotelzimmer verlässt. Nein, er verschanzt sich dort nicht in der Badewanne, sondern kauft ein Spiel mit Wurfpfeilen, befestigt es an einer Schranktür - und spielt. Toussaints Hauptfigur hat keinen Namen, dafür trägt dessen Freundin einen durchaus eigenwilligen: Edmondsson. Edmondsson unterstützt die Badezimmer-Exerzitien ihres Freundes und reist ihm sogar nach Venedig nach. Zum Dank verletzt sie Tousaints Held mit einem Wurfpfeil. Warum er das tut, muss der Spürsinn des Lesers selbst herausfinden.

Es ist der Tod als absolute Bewegungslosigkeit, der Toussaints Hauptfigur vor sich her treibt und ins Badezimmer hinein. Im Roman wird der französische Philosoph Blaise Pascal zitiert. Von ihm stammt der Satz, alles Unglück des Menschen rühre nur daher, dass er nicht ruhig in seinem Zimmer verharre. Toussaints Held geht also ins Badezimmer und schließt ab. Da bemerkt er sein eigentliches Unglück: Er verharrt regungslos und wartet so auf den Tod. Da sperrt er wieder die Badezimmertür auf und geht hinaus, begegnet der Welt mit fröhlichem Zynismus, hoffnungsfroh. Wer sich also reinwaschen will von den eigenen schwarzen Gedanken, dem sei Jean-Philippe Toussaints Roman mit seinem feinen Witz sehr ans Herz gelegt.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 23. Dezember 2006, 17:05 Uhr

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Buch-Tipp
Jean-Philippe Toussaint, "Das Badezimmer", übersetzt von Joachim Unseld, Frankfurter Verlagsanstalt, ISBN 3627001192