Zum 25. Todestag von Friedrich Torberg
Von Haltung und Beharrlichkeit
Friedrich Torberg selbst wünschte sich, dass man nach seinem Tode die Gewissheit habe, dass mit ihm etwas gegangen sei, das es nun nicht mehr gebe - er meinte sich als den letzten Deutsch schreibenden jüdischen Schriftsteller.
8. April 2017, 21:58
"Es trifft immer die Falschen", schrieb Friedrich Torberg in einem persönlichen Brief angesichts der Todesmeldung über einen langjährigen Freund, am 8. November 1979. Zwei Tage später war Torberg tot; gestorben an einer Venenoperation, die sein rechtes Bein wieder gehfähig hätte machen sollen.
"Auch Nichtraucher müssen sterben"
"Ich leide an einer ganzen Menge geradezu vornehmer medizinischer Ausdrücke", vermerkte der Kettenraucher, Mokkatrinker und notorische Nachtarbeiter Torberg schon Jahre zuvor, "und auch ich selbst bin nicht ganz gesund."
Allerdings heißt es in polemisch-launigem Aufsatz (wann wäre Torberg nicht in polemischer Laune gewesen ?) "Auch Nichtraucher müssen sterben": "Vom gesunden Leben kann ich nicht leben."
Lust am verbalen Klingenkreuzen
Friedrich Torberg, Satiriker, Romancier, Lyriker, Esaayist, Kritiker, Übersetzer, Parodist von Graden, bezog mit Vorliebe Kontrapositionen, schon, um sie im dumpfen Sog des Mainstreams (wiewohl der damals ein Bacherl war im Vergleich zu heute) nicht verkommen zu lassen, aus Freude und Lust am verbalen Klingenkreuzen, aus dem Spaß des Könners an der Florettfechterei.
Er genoss lebenslange Freundschaften ebenso wie Feindschaften, und als er, 71 Jahre alt, im Herbst 1979 (einen Monat vor seinem Tod) den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur erhielt, vergaß er nicht, anzumerken, dass ihm die Freude daran und an der Freude seiner ehrlichen Gratulanten keineswegs vergällt, sondern, im Gegenteil, durchaus bereichert werde durch das Gifteln derer, die ihm die Auszeichnung nicht vergönnten.
Brillanter Querkopf
Torberg war ein brillanter Querkopf, zuweilen rechthaberisch, selbst das aber auf einem Niveau, das den meiste seiner Gegner (bis zum heutigen Tag) nur zu wünschen wäre.
Und er, der vor den Nazi um sein Leben flüchten musste, der (vor dem Krieg zwischen Wien und Prag pendelnd) regen Anteil an der Tragödie der Tschechoslowakei nach 1948 nahm, war überzeugter Antikommunist, weil ihm die Parallelen zwischen nationalsozialistischer und national-kommunistischer Despotie zu offensichtlich waren, als dass er sie mit der dazumal üblichen Grandezza westlichen Intellektualismus hätte übersehen können.
"Man muss sich's", so schrieb er in den 60er Jahren an seinen diesbezüglich ziemlich anders gesonnenen Schriftstellerfreund Robert Neumann, "immer mit beiden Spielarten der blutigen Tyrannis zugleich verderben - sonst taugt die ganze kämpferische Attitüde nichts."
Gegner "unvermeidlicher Zeiterscheinungen"
Und was den heute wie damals meist hämisch gebrauchten Ausdruck "Kalter Krieger" betrifft: Schon Torberg ärgerte es, dass von denen immer nur auf westlicher Seite die Rede war (und ist) - mit pünktlichem Applaus aus dem Osten - und die blutigen Schauprozesse samt Todesurteilen, die antijüdischen Exzesse (nicht nur unter, auch noch nach Stalin), dass all der tatsächlich bedrohliche Unflat, den die staatskommunistischen Diktaturen auch in nächster Nachbarschaft Österreichs hervorbrachten, gleichsam als unvermeidliche Zeiterscheinungen galten.
Die von Friedrich Torberg elf Jahre lang (bis 1965) herausgegebene kulturpolitische Monatsschrift FORVM war, wie heute noch nachzuprüfen, "scharf antitotalitär", und das betraf die damals noch recht üppigen Nazi-Restbestände hier zu Lande ebenso wie die "Kommunazis" (Torberg) weiter nördlich und östlich. Der "Fortschritt" und der "Friede" kamen ihm gar zu volksvölkisch daher - zu einem wie großen Teil er damit Recht hatte, hat Torberg nicht mehr erlebt.
Lesenwerte Einsichten
Haltung statt wohlfeiler Meinung, Beharrlichkeit statt Opportunismus zeichneten Torberg auch als Romancier aus, der die moderne Prosaliteratur gewiss nicht um neue Sprachwelten, aber doch um bedeutende stilistische und inhaltliche Beiträge bereichert hat. Mit dem furiosen "Schüler Gerber" war dem 21-jährigen Torberg (der sich zu diesem Zweck das später bürgerlich legalisierte Pseudonym aus dem Vatersnamen "Kantor" und dem vorehelichen Mutternamen "Berg" gebastelt hatte) nicht nur ein fulminanter Einstand als Literat gelungen, sondern auch sein erster Angriff im Namen von Ethik und Moral.
Sein (ebenfalls stark autobiografischer) Sportlerroman "Die Mannschaft" bietet heute wie damals lesenwerte Einsichten in die psychische Funktionsweise des Team-Leistungssports (laut Torberg der einzige Bereich, in dem Kollektive überhaupt funktionieren), sein Lebens-Roman über den historischen jüdischen Minnesänger Süßkind von Trimberg endlich behandelt sein Lebens-Thema: das des quasi doppelten Außenseiters in hiesiger Gesellschaft, des dichtenden Juden. (Und auch dieses, sein jüdisches - nicht unbedingt religiöses - Bekennertum hat ihm viel Feindschaft eingetragen.)
50 Prozent Humor
Und in das Kapitel "Haltung statt Meinung" muss wohl auch Torbergs grandiose Abrechung mit dem unsäglichen Buch "Der jüdische Witz" von Salcia Landmann verbucht werden, der Torberg, als einziger in der Menge der damals gerade philosemitisch Gewordenen, messerscharf nicht nur die fahrlässige Ermordung des jüdischen Witzes durch Unfähigkeit, Schlamperei und - schon weniger fahrlässig - wackere Spekulation auf antijüdische Klischees nachwies, sondern auch die daraus unbewusst resultierende antisemitische Tendenz anzusprechen wagte.
Dass er, bei alledem, zu "mindestens 50 Prozent aus Humor bestand" (so seine Witwe Marietta), lässt sich in den Sammelbänden seiner Parodien, Pamphlete, Sprachglossen, Theaterkritiken ebenso nachlesen wie in seinen Übersetzungen aus Ephraim Kishon, seiner Entdeckung und verlagsgerechter Bearbeitung Herzmanovsky-Orlandos und Peter Hammerschlags, die er im Alleingang der Literaturgeschichte (und den Germanisten) zur Kenntis brachte, oder auch in den beiden Bänden der "Tante Jolesch".