Das Sozialwort der Kirchen über "gute Arbeit"

Ohne Einkommen kein Auskommen

Was macht Arbeit wertvoll - das Einkommen? Oder die Art der Tätigkeit? Oder der Status, den man durch sie erwirbt? Oder der Nutzen, den sie für andere Menschen hat? Die christlichen Kirchen haben in ihrem "Sozialwort" umrissen, was "gute Arbeit" bedeutet.

Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie, über Armut

Seit rund zehn Jahren vermehrt sich die Zahl der Menschen, die zwar arbeiten, und oft mehr als 40 Stunden arbeiten, die aber trotzdem nicht genug verdienen, um sich und ihre Familie durchzubringen. Sehr oft sind das Frauen, aber es gibt auch viele Männer; und es sind nicht nur schlecht ausgebildete Menschen, sondern zunehmend auch Maturanten und Akademiker darunter. Die Entwicklungen in Erwerbsarbeit und Wirtschaft sind in eine Krise geschlittert.

Arbeitsgesellschaft im Strukturwandel

Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich hat dem Kapitel Arbeit einen eigenen Abschnitt gewidmet:

"Was für die einen mit neuen Möglichkeiten für Eigeninitiative, mit Anerkennung und hohem Einkommen verbunden ist, mündet für andere in Überforderung, Einkommensverlust und Arbeitslosigkeit. Strukturelle Erwerbslosigkeit und Standortwettbewerb in einer globalisierten Wirtschaft verändern die Gesellschaft und damit die Situation der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.“

Politiker schuld?

Zwar hat die Dynamik des Arbeitsmarktes zugenommen, doch viele Leute arbeiten in sehr schlecht bezahlten oder unsicheren Jobs - etwa Leute, die als Teilzeitarbeiterinnen und -arbeiter an Firmen vermittelt werden. Die wissen oft nicht, wie viel Geld sie am Ende des Monats bekommen werden.

In den USA oder in Großbritannien ist diese Entwicklung sehr weit fortgeschritten. Zwar gibt es in den USA 149 Menschen, die dem Klub der Milliardäre angehören, aber jeder vierte US-Bürger lebt am Rande der Armut - das sind mehr als 30 Millionen Menschen.

"Diese Entwicklung ist aber nicht unvermeidlich, sondern wird durch politische Entscheidungen gesteuert", sagt Martin Schenk von der Diakonie, dem Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche in Österreich. "Die Kirchen erwarten von den politisch Verantwortlichen u. a., ihre Arbeitsmarktpolitik auf den Erhalt und die Neuschaffung guter, menschengerechter, gesellschaftlich sinnvoller Arbeitsplätze auszurichten."

Menschengerecht wirtschaften

Auch die Wirtschaft ist gefordert: Wirtschaft ist mehr als ein Unternehmen, das Geld umsetzt, stellt das Sozialwort fest:

"Wirtschaft ist auf menschliches Leben ausgerichtet. Das bedeutet: Wirtschaft muss nicht nur sachgerecht, sondern auch menschen- und gesellschaftsgerecht sein und die Belange zukünftiger Generationen und der Umwelt mit einbeziehen. Ökonomisches Handeln im ursprünglichen Sinn bedeutet, mit möglichst wenig Aufwand ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Dazu gehört ein schonender, sparsamer Umgang mit Ressourcen, auch solcher, die (noch) nicht in Geldwert berechnet werden, wie etwa der Verbrauch sauberer Luft oder die Verunreinigung von Grundwasser."

Auch die Menschen und ihre Arbeit sind nicht nur Faktoren in der Kostennutzenrechnung: "Gute Arbeit gewährt ein angemessenes Einkommen, respektiert menschliche Fähigkeiten und die Menschenwürde und bezieht sowohl das Produkt wie die Belange der Umwelt als Kriterien ein."

Alarmierende Tatsachen

Weltweit gibt es laut Internationaler Arbeitsorganisation mehr als eine Milliarde Arbeitslose, das ist rund ein Drittel des gesamten Potentials an Arbeitskräften. Die Frage, wie man mit Arbeit und daher auch mit Armut umgehe, sei eine Grundsatzfrage, bei der es verschiedene Positionen gibt, meint Martin Schenk. Für so manche Unternehmer sei beispielsweise ein bisserl Armut gar nicht so schlecht, weil dadurch die Betroffenen ständig unter Druck stünden.

Wer so denkt, muss auch in Kauf nehmen, dass in den Städten Elendsviertel entstehen, dass die Kriminalität steigt, die Mehrheit der kommenden Generation schlecht ernährt und ausgebildet ist und eine tiefe Kluft in der Gesellschaft entsteht, die zu einem nicht erklärten, blutigen Bürgerkrieg führen kann, wie das z. B. in Brasilien der Fall ist. Mit anderen Worten: Wie man sich bettet, so liegt man.

Gebot für die Zukunft

Wirtschaft ist kein Naturereignis, sondern muss gestaltet werden - und die Gestaltung hat Folgen. Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich stellt fest:

"Soziale Sicherheit macht Gesellschaften nicht arm, sondern ist ein wesentliches Element des sozialen Zusammenhalts. Soziale Investitionen wirken sich auch ökonomisch positiv aus. Dieser Wohlstand, der keine Gruppe ausschließt, sondern darauf abzielt, möglichst viele einzuschließen, ist ein positives Element des Wirtschaftsstandortes Österreich."

Denn wie heißt es so schön in der Apostelgeschichte:

"Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte."

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Ökumenisches Sozialwort