Der gerechte Staat und das Streben nach Glück

Die amerikanische Seele

Die US-Amerikaner gelten als siegessicher und letztlich auch erfolgreich. Doch woher beziehen sie ihre Energie, was treibt sie an? Sind Edward Hoppers Bilder in Europa deswegen so beliebt, weil sie uns ein Amerika der Verlierer zeigen?

Expertenmeinungen zur amerikanischen Seele

Die Freiheit des "Pursuit of Happiness" (Streben nach Glück) gehört zum quasi-mythologischen Inventar des amerikanischen Ideenhaushalts und steht auch im Zentrum dessen, was als "amerikanischer Traum" ebenso sprichwörtlich geworden ist. Ein Traum ist deshalb so wichtig, meint der Politologe Jeremy Rifkin, weil man sich sonst immer auf die Träume anderer bezieht und die eigenen Fähigkeiten unterschätzt. Die Amerikaner können die Europäer lehren: Auf Optimismus kommt es an.

Ein Amerika der Verlierer

Warum gerade die Bilder Edward Hoppers aus der Zwischenkriegszeit so beliebt sind in Europa, diese Frage beschäftigt Winfried Fluck, Professor für amerikanische Kultur am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin.

Hoppers Themen sind ja häufig die Isolation und die Ausgrenzung des Einzelnen. Sie sind in Europa deswegen so beliebt, weil sie uns ein Amerika der Verlierer zeigen, meint Winfried Fluck. So wie auch Wim Wenders in "Paris, Texas". Wenn wir über Amerika reden, dann zeigen wir auf das, was wir sehen wollen. Das andere, das selbstbewusste Amerika sehen wir nicht so gerne, ist Winfried Fluck überzeugt.

Stete Verbesserung

Der Frage, ob die Amerikaner wirklich so oberflächlich und platt sind, wie man ihnen oft unterstellt, widmete unlängst der politische Journalist David Brooks ("Die Bobos") eine Anhandlung mit dem Titel "On Paradise Drive" (Fahrspur Paradies). In diesem Buch kommt er - wohl nicht überraschend für einen Amerikaner - zum Schluss, dass dem nicht so ist. Die Amerikaner werden von der Vision angetrieben, sich stets zu verbessern. Und mit dem Konsum, für den sich die Amerikaner gerne verschulden, vergewissern sie sich auch ihrer Existenz. Unannehmlichkeiten in der Gegenwart halten sie aus, weil sie stets in der Zukunft leben. Nie zufrieden mit der Gegenwart ist der Blick voraus gerichtet. Und in der Zukunft wartet ein Paradies.

Europäern erscheint diese zukunftsorientierte Haltung, die die Vergangenheit so weit wie nur irgend möglich ignoriert, suspekt. Wenn es um die Formkräfte der amerikanischen Mentalität geht, darf die Vergangenheit dann doch herhalten. Da wird dann der Puritanismus meist an erster Stelle genannt. Und wirtschaftlichen Erfolg deuteten die Puritaner als Zeichen der Erwähltheit, weshalb sie nach Gewinn strebten.

Credo Chancengleichheit

"'Equality of opportunity' (Chancengleichheit) heißt das Credo, das 87 Prozent aller Amerikaner dem Prinzip von 'equality of result' (Erfolgsgleichheit) vorziehen", schreibt Hans-Dieter Gelfert, Professor für Englische Literatur und Landeskunde an der Freien Universität Berlin in seinem Buch "Typisch amerikanisch - Wie die Amerikaner wurden, was sie sind". Der Kommunismus hatte nie eine Chance in den USA und selbst moderate Forderungen nach Umverteilung von Volksvermögen finden beim amerikanischen Wähler wenig Zustimmung.

Der Traum vom gerechten Staat

Noch bevor die Amerikaner sich eine Verfassung gaben, schrieb Thomas Jefferson in die Unabhängigkeitserklärung, dass die Amerikaner es für selbstverständliche Wahrheiten halten, dass alle Menschen gleich geschaffen sind und dass sie von ihrem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und auf das Streben nach Glück gehören.

Die beiden Ur-Utopien der Menschheit, der ethische Traum vom gerechten Staat und der hedonistische vom Schlaraffenland sollten in der amerikanischen Verfassung miteinander versöhnt werden. Wer stets an seiner Selbstverbesserung arbeitet, wird in der Zukunft zwangsläufig glücklicher sein.

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