Reisebeobachtungen aus den 30ern

Der Weg nach Oxiana

Robert Byron hat in den 1930er Jahren nach den Ursprüngen der islamischen Kultur gesucht. Aus seinen Beobachtungen hat er eine Prosa aus Lehm, Steinen und Fliesen, eine Geschichte aus Landschaften, Kleidern, Redeweisen und Sitten gestaltet.

Reiseschriftsteller wie Byron haben in dieser Zeit ein zunehmend gebrochenes Verhältnis zur eigenen Kultur, die so genannten "Travel books" sind also angesichts von Wirtschaftskrise und Machtergreifung Hitlers auch ein gesellschaftskritisches Genre. Das Faszinierende aber ist, dass sich diese Kritik hinter einer äußerst subjektiven und lustvollen Beschreibung der anderen Welt versteckt, und dass der Blick auf den Orient durch die ganz eigene Handschrift Byrons sogar romanhafte Züge annimmt.

Wunderbar polemisch

Sofort verfällt der Leser einem Helden, der sich geschickt in Pose zu setzen weiß und der wunderbar polemisch vom Leder zieht. Byrons Reise beginnt in Venedig, über das Meer sagt er:

Wasser wie warme Spucke. Zigarettenstummel, die einem in den Mund gespült werden, und Unmengen von Quallen.

Über Zypern heißt es:

Auf dieser Insel ertrinkt man geradezu in Geschichte. Man holt sich eine Art intellektuelle Verdauungsstörung.

Und über Bagdad schreibt Byron:

Die Wasserläufe bestehen aus flüssigem Lehm, die Luft besteht aus Lehm, die Menschen sind lehmfarben - und ihre nationale Kopfbedeckung ist nicht mehr als ein in Form gebrachter Lehmkuchen.

Jede Menge Klatsch

Tja, Robert Byron nimmt sich eben kein Blatt vor den Mund. Byron öffnet die Augen für das Neue und schleppt gleichzeitig das Alte mit, zum Beispiel eine beträchtliche Bibliothek. Auf seinen Reisen liest er Werke von Marcel Proust oder auch Tolstois "Anna Karenina". Touristen, die nicht so literarisch und eigen wie er unterwegs sind, nennt Byron "Stinktiere - eine parasitäre Variante der Gattung Mensch, die nur dazu da ist, wie eine Kuh gemolken zu werden".

Neben reizvollen Beschreibungen byzantinischer Architektur, mit der auch jeder kulturhistorisch interessierte Leser voll auf seine Kosten kommt, findet sich aber auch jede Menge Klatsch in diesem Buch. Robert Byron pflegt schließlich Kontakte zur Diplomatie und hält sich mit Wertschätzung und ironischen Spitzen auf Intelligenz oder Äußeres der wichtigen Macht-Männer keinesfalls zurück.

Ausgeprägtes Faible für Kleidung

Dialoge, die musikalische Ausdrucksbezeichnungen wie Pianissimo, Crescendo oder Forte schmücken, sind ein witziger Trick, um sich einer ganz bestimmten Redeweise und Vorurteilen zu nähern, die so zwischen Orient und Okzident kursieren. So stellt er uns den afghanischen Botschafter Schir Ahmad vor. "Der sieht aus wie ein als Jude verkleideter Tiger", sagt Byron. Er führt gern Äußerlichkeiten ins Feld.

Byron hat ein ausgesprochenes Faible für Kleidung. Der Autor findet, dass Perser im Vergleich zu Afghanen üble Lumpen sind und lässt sich zu amüsanten Übertreibungen hinreißen, doch dahinter steckt mehr. "In Afghanistan zeigt sich Asien endlich ohne Minderwertigkeitskomplexe", findet der Reiseautor, und denkt man die Geschichte weiter, mag es schon sein, dass die moralische Überlegenheit der Afghanen, wie Byron sie beschreibt, den Russen tatsächlich Angst macht.

Byron verführt

Neben solch politischen Überlegungen, die man beim Lesen dieses Reisetagebuchs aufnehmen kann oder nicht, ist es Robert Byron gelungen, uns zu verführen. Robert Byron, ein Vagabund, der durch die Welt des Orients stürmt als wäre es sein persönliches Global Village, das hat was, das ist auch eine Reise ins Innere eines Autors, der sich mit sich selbst unterhält: Als Mann, als Kulturhistoriker, als Schreiber - und das mit entschieden hypnotisierender Wirkung.

Buch-Tipp
Robert Byron, "Der Weg nach Oxiana", ins Deutsche übersetzt von Matthias Fienbork, Eichborn Verlag, ISBN 3821845201