Wahrscheinlichkeiten des wirklichen Lebens
Wem gehört eine Geschichte
Mit seinem letzten Roman "Das Handwerk des Tötens" ist Norbert Gstrein ins Sperrfeuer der Literaturkritik geraten. Nun hat er literarisch zurückgeschossen. Sein neues Buch "Wem gehört eine Geschichte" ist eine polemische Verteidigungsschrift für seinen Roman.
8. April 2017, 21:58
Stein des Anstoßes für die Aufregung rund um Gstreins Roman "Das Handwerk des Tötens" war die Widmung: Das Buch ist einem Südtiroler Journalisten gewidmet, der vor fünf Jahren im Kosovo ermordet worden ist und den Gstrein gekannt hat. Und weil es in dem Roman ebenfalls um einen Kriegsberichterstatter geht, sah sich Norbert Gstrein bald mit dem Vorwurf konfrontiert, aus einer wahren Geschichte einen Roman gemacht zu haben. Diese Kritik hat Gstrein so aufgeregt, dass er nun ein Buch darüber geschrieben hat.
Fakten und Fiktives vermischt
Hinter manchen Figuren in Norbert Gstreins Roman "Das Handwerk des Tötens" sind unschwer reale Personen erkennbar. Gerichtliche Schritte sind zwar bisher ausgeblieben, aber Gstrein wurde massiv beschuldigt, Fakten und Fiktives unzulässig miteinander vermischt zu haben.
In seinem neuen Buch dreht Gstrein nun den Spieß um. In "Wem gehört eine Geschichte" liefert Gstrein zwar neue Gründe für Entschlüsselungsversuche - etwa wenn er über einen österreichischen Literaturprofessor schreibt oder über einen Schriftsteller, den er als "freundlichen älteren Herrn aus Wien" bezeichnet. Hinter diesen Figuren sind real existierende Personen erkennbar, was diesmal durchaus beabsichtigt sein dürfte.
"Unschöne Rangeleien in der literarischen Hackordnung"
Es geht um Aspekte wie Ehre, Anstand, verletzte Eitelkeiten, Eifersüchteleien und Pietätlosigkeit. Gstrein nimmt in seiner ironisch-ätzenden Argumentation Anleihe bei Nobelpreisträgern und anderen namhaften Schriftstellern. Er beschreibt "unschöne Rangeleien in der literarischen Hackordnung" und macht sich lustig über die, wie es einmal heißt, "ach so schützenswerte Spezies der österreichischen Literaturbürokraten" und den "bornierten Wiener Literaturbetrieb".
Das Buch besteht jedoch nicht nur aus Polemik. Im zweiten Teil des 109 Seiten umfassenden Bandes beschreibt Gstrein eine Reise, die ihn letztes Jahr zu Weihnachten nach Kroatien, Bosnien und Serbien geführt hat. Eine poetische Beschreibung einer Fahrt durch vom Krieg gezeichnete Landschaften.
Überzeugend zur Wehr gesetzt
Wer Gstrein der Humorlosigkeit bezichtigen will, wird wohl beim Lesen der selbstironischen Passagen eines Besseren belehrt werden. Und auf der Buchschleife findet sich der ironische Hinweis: "Based on a true story" - also: basiert auf einer wahren Geschichte.
Wenn auch Gstrein manchmal gefährlich nahe daran vorbeischrammt, kleinlich zu wirken, ist sein neues Buch doch ein scharfzüngiger polemischer Essay geworden, der in einer dichten Reisebeschreibung mündet. Norbert Gstrein hat auf sehr elegante Weise von seinem Recht gebrauch gemacht, sich zur Wehr zu setzen und nicht das Feld kampflos seinen Kritikern zu überlassen.
Buch-Tipp
Norbert Gstrein, "Wem gehört eine Geschichte", Suhrkamp Verlag, ISBN: 3518416375