"Überraschende und große Ehre"
Literatur-Nobelpreis geht an Elfriede Jelinek
Die österreichische Schriftstellerin und Dramatikerin Elfriede Jelinek erhält in diesem Jahr den Literatur-Nobelpreis. In einem ersten Interview mit dem Ö1 Kulturjournal zeigt sich die Autorin erfreut und verspricht, sich auch weiter nicht vereinahmen lassen zu wollen.
8. April 2017, 21:58
Elfriede Jelinek im Gespäch mit Peter Huemer (1989)
Elfriede Jelinek habe den Preis "für den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die die Absurdität gesellschaftlicher Klischees und ihre unterjochende Macht enthüllt." erhalten, hieß es zur Begründung. Gelobt wurde ihre "sprachliche Leidenschaft".
Das Hauptgewicht ihres Werkes habe sich von der Novelle auf die Dramatik verlagert. Sie hat auch Werke von Thomas Pynchon, Georges Feydeau und Chirstopher Marlowe übersetzt, Drehbücher verfasst und das Libretto für eine Oper von Olga Neuwirth geschrieben.
Elfriede Jelinek selbst zeigt sich im Interview bescheiden. Ob sie den Preis verdiene, müssen andere entscheiden, sie selbst hätte gedacht, dass wenn jemand aus Österreich, dann Peter Handke den Preis zuerkannt bekommen würde. Den Preis empfindet Sie als Genugtuung gegenüber ihren Kritikern, wenngleich er nicht aufwiege, was sie in diesem Land gelitten habe. Die Freiheit, nicht mehr des Geldes wegen arbeiten zu müssen, empfindet sie als den größten Luxus ihrer auszeichnung.
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Kritiker werden verstummen oder nachdenken
Für den Literaturwissenschaftler Wendelin Schmidt-Dengler ist die Entscheidung des Nobelpreiskomitees die Würdigung einer Autorin, bei der die literarische Qualität mit der Triftigkeit der politischen Aussagen zusammenfällt". Für die österreichische Literatur erwartet der bekannteste heimische Literaturwissenschaftler insgesamt eine verstärkte internationale Rezeption.
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Jelinek will nicht zur Preis-Verleihung
Die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hat die Entgegennahme des Literatur-Nobelpreises als "überraschende und große Ehre" bezeichnet. Im schwedischen Rundfunk sagte sie, sie werde zur Verleihung am 10. Dezember wegen Krankheit nicht nach Stockholm kommen. "Ich kann mich im Moment Menschen nicht aussetzen", sagte die Autorin und meinte weiter, sie betrachte den Nobelpreis nicht "als Blume im Knopfloch für Österreich".
Zur Person
Elfriede Jelinek wurde am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark geboren. Ihre "ungemein leistungsbezogene" Mutter habe sie zum Wunderkind "dressieren" wollen, erklärte Jelinek einmal.
Nach der Matura, die sie an einer Klosterschule ablegte, studierte sie am Wiener Konservatorium Klavier und Komposition, belegte daneben aber auch Sprachen, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Noch als Studentin veröffentlichte sie 1967 ihren ersten Gedichtband "Lisas Schatten".
Aufsehen und Widerstand
Sowohl ihr Romandebüt "wir sind Lockvögel, baby" (1970) als auch die Romane "Die Ausgesperrten" (1980) und "Die Klavierspielerin" (1983) begeisterten die Kritiker, stießen jedoch in gleichem Maße auf heftigen Widerstand.
In ihrer literarischen Arbeit übt Jelinek immer wieder scharfe Kritik an der Männer- und Klassengesellschaft und setzt sich kritisch mit den Themen Sexualität, Gewalt und Macht auseinander. Aufsehen, Neugier und Widerspruch erregte besonders der Roman "Lust" (1989). Als ihr "opus magnum" bezeichnet sie selbst "Die Kinder der Toten" (1995). Im Jahr 2000 erschien "Gier", ein vieldeutiger Kriminalroman aus der österreichischen Provinz.
Vergangene Preisträger
Im vergangenen Jahr hatte J.M. Coetzee aus Südafrika den Nobelpreis erhalten. Letzter deutscher Preisträger war 1999 der bei Lübeck lebende Günter Grass.
Die Nobelpreise sind mit jeweils umgerechnet 1,1 Millionen Euro (10 Millionen Kronen) dotiert. Sie werden traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896) überreicht.
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Hör-Tipps
Alle Programmänderungen von Ö1:
Freitag, 8. Oktober
22:15 Uhr: "Tonspuren". "Die Frau ist die Todesstrafe des Mannes". Ein Porträt der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek von Gerhard Moser und Robert Weichinger
Dienstag, 12. Oktober
20:30 Uhr: Hörspiel "Burgteatta" von Elfriede Jelinek. Regie: Hans Gerd Krogmann.
CD-Tipp
Elfriede Jelinek auf der CD "Dichter hören - 80 Jahre Radio" im Ö1 Shop. Den Text dazu finden Sie auch in oe1.ORF.at
Download-Tipp
Ö1 Clubmitglieder können die Sendungen "Im Gespräch" vom Donnerstag, dem 7. Oktober und "Tonspuren" vom Freitag, dem 8. Oktober jeweils nach Ende der Live-Ausstrahlungen im Download-Bereich herunterladen
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Elfriede Jelinek