Entwicklungshilfe bringt's nicht

Staaten bauen

Lassen sich schwache Staaten mit fremder Hilfe aufbauen und in starke verwandeln? Denn darauf kommt es an, meint Francis Fukuyama. Schwache Staaten seien kein nationales, sondern ein internationales Problem - und eine viel größere Bedrohung als so genannte Supermächte.

Staaten zu bauen bedeutet, neue Regierungsinstitutionen zu schaffen und bestehende zu stärken. In diesem Buch behaupte ich, dass der Staatenaufbau eine der wichtigsten Aufgaben der Weltgemeinschaft werden wird, weil schwache oder gescheiterte Staaten die Ursache für viele ernste Probleme unserer Zeit sind, von der Armut über Aids bis hin zu Drogen und Terrorismus.

Starker Staat

Während heutzutage allerorten der Ruf nach "weniger Staat" erschallt, bricht Francis Fukuyama in seinem neuen Buch eine Lanze für den starken Staat - womit er freilich weder den aufgeblähten Wohlfahrts-, noch den rigorosen Ordnungs- oder Polizeistaat meint.

Entscheidend in seiner Argumentation ist die Trennung zwischen dem, was die Bandbreite staatlicher Aktivitäten ausmacht (wie Schutz der Armen oder Sicherung der Eigentumsrechte) auf der einen Seite und dem, was die Stärke staatlicher Macht garantiert auf der anderen, also die Fähigkeit eines Staates, Politik durchzusetzen. Es ist nicht die Bandbreite der Aufgaben, die Fukuyma im Sinn hat, wenn er einen starken Staat fordert; eine Forderung, die nicht im Widerspruch steht zum Ruf nach Liberalisierung und Reduktion des Staatssektors.

Sich selbst erhaltende staatliche Kapazitäten

Fukuyamas "starker" Staat ist kein großer, alles regulierender, sondern ein schlanker und höchst effizienter Staat, ein Staat mit funktionierenden Institutionen. Wie aber kann man diese schaffen? Wie kann man jene schwachen oder gescheiterten Staaten, die immer wieder im Mittelpunkt internationaler Krisen standen, Staaten wie Somalia, Haiti oder Kambodscha so umformen, dass aus ihnen friedliche und stabile werden?

Wenn Staaten aufbauen bedeutet, sich selbst erhaltende staatliche Kapazitäten zu schaffen, die weiter bestehen, wenn Rat und Unterstützung von außen wegfallen, reduziert sich die Zahl der historischen Fälle, wo das mit Erfolg geschah, auf eine deprimierende kleine Hand voll.

Dienstleistungen von außen

Dass dies so ist, hat viele Gründe: wirtschaftliche, soziale, kulturelle, ethnische. Kardinalfehler aber sei, dass die auswärtigen "Staatenbauer" Dienstleistungen bereitstellten statt Kapazitäten aufzubauen, meint Fukuyama und verweist auf das Beispiel der Entwicklungshilfe, die in der Vergangenheit nicht selten kontraproduktiv gewesen sei.

Fukuyamas Buch zeigt: Staaten bauen ist kein leichtes Geschäft, Patentlösungen gibt es nicht. Wohltuend sachlich skizziert es die Probleme, verzichtet auf wilde Spekulationen und kühne Thesen, lässt aber auch offen, wie denn nun der Weg zu einem funktionierenden und soliden Staat zu finden ist.

Nation ist kein Auslaufmodell

Es gibt keine Alternative zum souveränen Nationalstaat, meint Francis Fukuyama; ein Seitenhieb gegen all jene, für die die Nation ein Auslaufmodell und der Kosmopolitismus das Gebot der Stunde ist. Auch wenn man über "nation-" oder besser: "state-building" letztlich nicht allzu viel Konstruktives erfährt, so macht der Autor von "Staaten bauen" doch deutlich, dass das Desinteresse an Entwicklungsländern, dass das Zurückstutzen von Staaten "nicht nach Utopia, sondern in die Katastrophe" führt.

"Staaten bauen" ist kein Plädoyer für eine rücksichtslose imperialistische Machtpolitik, keine Verteidigung des Irak-Kriegs und keine neoliberale Kampfschrift. Es ist eine Warnung vor dem Irrglauben, die Probleme schwacher Staaten seien nicht die unseren, verbunden mit dem ernüchternden Einblick in die schier unüberwindbaren Hürden beim Um- und Aufbau schwieriger Staaten.

Buch-Tipp
Francis Fukuyama, "Staaten bauen. Die neue Herausforderung internationaler Politik", Propyläen Verlag, ISBN: 3549072333