Der heimliche Kaiser von Österreich

Let's be Frank

Die unglaubliche Geschichte des heimlichen Kaisers von Österreich, sie könnte etwa so klingen: Armes Landeskind geht hinaus in die Welt, nach Kanada, wird dort reich und mächtig, kehrt irgendwann heim und ordnet die kleine Welt seiner Jugend nach den eigenen Regeln neu.

Das Land, in das der reiche Mann zurückkehrt, hält gespannt den Atem an - wie die Belegschaft einer Firma in Erwartung eines neuen Eigentümers, schreibt Norbert Mappes-Niediek in seinem Buch "Let's be Frank". Was der neue Besitzer wohl für einer sein mag?

Einfach ein Scharlatan, ein verkrachter Emigrant, wollten erste kritische Stimmen wissen. Sie irrten. Stronachs Magna-Konzern ist erfolgreich, gesund und einer der größten Autozulieferer der Welt. Ein Abzocker, ein Privatisierungsgewinnler? Stronach hat überall in der Steiermark Firmen gegründet, Fabriken gebaut, Arbeitsplätze geschaffen.

Die meisten haben sich inzwischen darauf geeinigt, ihn für eine Art Märchenkönig zu halten: einen reichen und mächtigen, aber im Grunde einfachen und gutmütigen Mann, der aus dem fernen Amerika kommt und die sympathische Naivität der Menschen dort teilt. 38 Prozent würden ihn nach einer Umfrage zum Bundespräsidenten wählen.

Ein klassischer Tycoon

Wer ist der Mann, den die einen bewundern und andere fürchten? Der mit seinem Geld inzwischen ganze Sportarten dominiert, der manchmal lang gediente Mitarbeiter feuert, wenn sie ihm widersprechen, aber auch viele großzügig gefördert hat? Mappes-Niediek kontaktierte Wegbegleiter aus Stronachs Jugendjahren bis hin zu hochrangigen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik.

Frank Stronach, analysiert Norbert Mappes-Niediek, ist ein klassischer Tycoon. Jener Unternehmertyp, der sich nicht aufs Geldzählen beschränkt, der sich in die Politik einmischt und nicht zuletzt als öffentliche Identifikationsfigur wirkt.

Wahre Legende

Die Legende vom Werkzeugmacher, der es von nichts zum Milliardär gebracht hat, erweist sich in Mappes-Niedieks Recherchen als schlicht und einfach zutreffend. Auch als Chef eines wachsenden Konzerns blieb Stronach nahe an der Produktion, an der Werkstatt. In seiner Autozulieferfirma Magna können die Kunden direkt mit den Ingenieuren und den Meistern in der Montagehalle sprechen.

Mit dieser Philosophie kurzer Wege und unbürokratischer Entscheidungen vor Ort wurde Magna zu einem wendigen Tiger, der für die schwerfälligen Dinosaurier der Autobranche immer mehr und immer komplexere Autoteile baute.

Magna ist mit seinen 73.000 Beschäftigten und mehr als 200 Fabriken in 22 Ländern nicht nur riesengroß, sondern vor allem auch gut. (...) Daimler Chrysler zeichnete das österreichische Magna-Presstec-Werk dafür aus, dass es acht Millionen Metallteile ohne ein einziges fehlerhaftes Stück geliefert hatte.

Willige steiermärkische Arbeitskräfte gefragt

Dass Magna in den 1990er Jahren nach Österreich ging, war rückblickend betrachtet nahe liegend. Der Konzern wollte sich während der Flaute der amerikanischen Autoindustrie ein Standbein in Europa schaffen. In Österreich dagegen hatte schon Kreisky verzweifelt nach Wegen gesucht, Österreich zum Autoproduzenten zu machen - und in der krisengeschüttelten Steiermark fanden sich willige Arbeitskräfte. Stronachs Heimkehr, so Mappes-Niediek, verdankt sich viel eher wirtschaftlicher Logik als dem Wunsch, Österreich etwas "zurückzugeben", wie Stronach selbst sagt.

Vor fünf Jahren wurde das schöne Bild getrübt. Bei einer Betriebsversammlung in Stronachs Werk Auteca sprach sich eine Arbeiterin für die Gründung eines Betriebsrats aus, wie ihn das Gesetz vorsieht. Kurz darauf wurde sie gekündigt. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht wurde zur Kraftprobe zwischen der Macht des Konzerns und der gekündigten Arbeiterin, die in aufgeheizten Stimmung Drohanrufe erhielt und deren Charakter vor Gericht in Zweifel gezogen wurde.

Verhängnisvolle Beziehung

Stronach und die Politik, das ist in Mappes-Niedieks Buch ein ergiebiges Thema. In Kanada kandidierte Stronach einmal selbst zum Parlament, erfolglos; er spendete große Summen an Politiker und sammelte, wie später in Österreich, gleich mehrere Ex-Politiker unter seinen Mitarbeitern.

Mappes-Niediek widmet ein Kapitel möglichen Interessenskonflikten des zeitweiligen Magna-Mitarbeiters und Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Er dokumentiert u.a. Stronachs Interventionen für den Eurofighter, an dem die engste Partnerfirma von Magna beteiligt ist: Daimler-Chrysler. Und doch ist Mappes-Niedieks Buch keine reine Skandalchronik, sondern stellt differenziert auch die Verdienste Frank Stronachs in der Wirtschaft dar, im Detail kritisch und pointiert formuliert. Vor allem aber fordert das Buch auf, die Beziehung Österreichs zu seinen heimlichen Kaisern aufmerksam zu verfolgen.

Buch-Tipp
Norbert Mappes-Niediek, "Let's be Frank", Campus Verlag 2004, ISBN 3593375648