"Rot-Weiß-Rot" Radiosender, 1949

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1945 und die Folgen

Wie die Amerikaner den Österreichern Demokratie beibrachten

1945 gründete die amerikanische Besatzungsmacht in Salzburg den Sender „Rot-Weiß-Rot“. Neben Unterhaltung und neuen Radioformaten sollte der Sender auch Informationen über Politik, Wirtschaftsform und Lebensstil der USA ins Nachkriegs-Österreich bringen. Eine Hörbilder-Recherche mit seltenen Archivaufnahmen sowie Gesprächen mit ehemaligen MitarbeiterInnen gibt Einblicke in die Propagandamaschinerie der USA: wo sie sich durchsetzte und wo sie am Widerstand der „störrischen Älpler“ (Radiochef Hans Cohrssen) scheiterte.

Uncle Sam hörte wohl nicht recht: Raue Gebräuche und Sitten, die da Kamerad Schnürschuh in der Alpenrepublik pflegte. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war man gewöhnt, höchstens den beliebten Doughnut, diesen Fett triefenden Kringel, einzutunken - aber eine Feldmaus?

Denise Abbey hatte diese besondere Form von Tierquälerei nicht nur einmal gehört, nein, sie hörte diesen barbarischen Aufruf beinahe täglich: Dunk a fieldmouse! Denise Abbey war zu dieser Zeit, wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, Assistentin von Hans Cohrssen, dem ersten Rundfunkchef ("Radio officer") des neu gegründeten amerikanischen Senders "Rot-Weiß-Rot" in Salzburg.

Walter M. Robertson

Walter M. Robertson bei der Eröffnungsansprache für den Rundfunksender Rot-Weiß-Rot im Salzburger Sendestudio.

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"Möge dieses Medium dazu beitragen, die Österreicher zu einem gut unterrichteten Volk zu machen". Generalmajor Walter M. Robertson, 6. Juni 1945

Anfang Mai 1945 übergab der letzte Kampfkommandant Oberst Hans Lepperdinger die Stadt Salzburg den von Süddeutschland anrückenden amerikanischen Streitkräften. Kampflos. Eine weise Entscheidung, wie sich kurz danach herausstellte: Mehr als 200 amerikanische Bomber wären allein für die Zerstörung der Stadt Salzburg bereit gestanden, falls es zu keiner freiwilligen Übergabe gekommen wäre.

Keine drei Wochen später befand sich der amerikanische Volkswirt Hans Cohrssen, der in den späten 20er Jahren von Deutschland aus über den großen Teich ging, in der Mozartstadt. Er wurde beauftragt, ein Programm für den neuen Rundfunksender zu entwickeln und zu betreuen. Die wichtigste Voraussetzung, die Cohrssen für diese Funktion mitbrachte, war wohl seine Beherrschung der deutschen Sprache. Seine Rundfunkerfahrungen hingegen waren - wie die seiner meisten Mitarbeiter - gleich null.

"Wir wollten hier die amerikanische Form der Demokratie verkaufen. Das war unser Auftrag."

Eine willkommene Gelegenheit für Amerikaner, ihre Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Philosophie in die Praxis umzusetzen. Mit einem improvisierten Studio in der Größe einer Garderobe (es war eine Garderobe!) und einer Handvoll Mitarbeitern begann der Rundfunkbetrieb von "Rot-Weiß-Rot" Anfang Juni 1945.

Die ersten Sendungen, die für einige Stunden über den Äther gingen, stoppelten die Rundfunk-Amateure mit Lokal- und Weltnachrichten, mit Musik der wenig vorhandenen Schallplatten und mit einer aus Amerika übernommenen Sendung, "Amerika ruft Österreich", zusammen.

"Es gab eine sehr ambitionierte Sendung, die hieß: "Wir lernen denken". Themen waren "Was verstehen wir unter Demokratie" oder "Was machen wir mit den kleinen Nazis?"

Die erste große Innovation, die sich Hans Cohrssen für seinen Sender einfallen ließ, bestand aus der "Verlesung von Namen von Flüchtlingen", die wenig später unter dem Titel "Suchmeldungen" nicht nur spät abends, sondern auch mittags ausgestrahlt wurde. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich diese Sendung zum Publikumshit und trug viel zur frühen und großen Popularität des "Rot-Weiß-Rot"-Senders bei.

Das Konzept war schlichtweg einfach: Es wurden Namen von Personen verlesen, die von ihren Angehörigen seit vielen Monaten und Jahren gesucht wurden. Ab und zu wurde eine Platte gespielt. Ansonsten: Namen Namen Namen. Viele Tausende Menschen hätten durch diese Sendungen wieder zueinander gefunden, erzählte Hans Cohrssen in seinen Erinnerungen.

Des Rätsels Lösung

Die "Suchmeldungen" war auch jene Sendung, die Denise Abbey an die vermeintliche kulinarisch-österreichische Unsitte, Feldmäuse (worin auch immer) einzutunken, glauben ließ. Des Rätsels Lösung war - so Denise Abbey - erst nach Monaten zu erfahren:

Viele Betroffene, die durch die "Suchmeldungen" im Sender "Rot-Weiß-Rot" wieder zueinander gefunden hatten, ließen es sich nicht nehmen, ihren Dank für die erfolgreiche Zusammenführung auszusprechen. Denise Abbey, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Wort Deutsch sprach, verstand ein freundliches und häufiges "Danke vielmals" als Aufforderung, unschuldigen Feldmäusen Leid anzutun.

Ein freundlicher Brief des Vorgesetzten

Hans Cohrssens erfolgreiche Zeit beim Sender "Rot-Weiß-Rot" war nach etwa zehn Monaten abgelaufen. Der wegen seines österreichfreundlichen Sendungskonzepts nicht ganz unumstrittene Leiter des Senders trat Anfang März 1946 einen Heimaturlaub in die Vereinigten Staaten an.

Was er mitbekam, war ein freundlicher Brief seines Vorgesetzten, mit viel Lob über seine Verdienste für "Rot-Weiß-Rot". Was er nicht mitbekam, war die schon längst beschlossene Bestellung eines Nachfolgers, ebenfalls durch seinen Vorgesetzten. Dunk a fieldmouse!

Text: Andreas Kloner

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich runterladen.

Gestaltung

  • Andreas Kloner

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