Opfer oder Liebhaberin aus Lust?
"Hoffmanniana"
Der Komponist Thomas Dézsy stellt in seiner Oper "Hoffmanniana", uraufgeführt bei den Bregenzer Festspielen, gleich drei "Donna Annas" auf die Bühne. Ist die berühmte Opernfigur Donna Anna ein Opfer einer Vergewaltigung oder Liebhaberin aus Lust?
8. April 2017, 21:58
Eine von drei "Donna Annas"
Eine Arie von Mozart, eine Erzählung des romantischen Dichter-Komponisten E.T.A. Hoffmann und ein Filmexposé des Russen Andrej Tarkovskij bilden die Basis von "Hoffmanniana". Das Werk wurde am 14. August bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt.
Er nenne sich Komponist, sagt der 37-jährige Dézsy, weil Komponieren eben Zusammensetzen, Verknüpfen bedeute.
Dézsy, unter anderem Gründer des Ensembles "Zoon" für neues Musiktheater, mischt elektronische Musik und eigene Texte mit dem kulturellen Fundus von Mozart bis Nono, von Hoffmann bis Foucault. Das romantische Prinzip der Verdopplung wird dadurch szenisch wie akustisch vervielfacht.
Unvollendetes Projekt
Dézsys intensive Auseinandersetzung mit dem russischen Filmgenie Andrej Tarkovskij prägte schon frühere Arbeiten. Diesmal zitiert er ausführlich aus dem Tagebuch des Filmemachers, der sich bis zu seinem Tod im Jahre 1986 mit der rätselhaften Person des Dichter-Komponisten Ernst Theodor Amadeus Hoffmann beschäftigte, ohne den dazu geplanten Film je realisieren zu können.
"Don Juan"
In einem erhaltenen Filmskript besucht Hoffmann eine Vorstellung von Mozarts "Don Giovanni". Die Idee geht auf eine frühe Erzählung Hoffmanns, nämlich "Don Juan" zurück. Darin wird ein Reisender während einer Vorstellung von der Sängerin der "Donna Anna" in seiner Loge besucht.
Es entspinnt sich ein Dialog über die Spannung von Person und Rolle; nach der Verstellung schreibt Hoffmanns Musikenthusiast einen Brief, in dem er Mozarts Oper und speziell die Figur der "Donna Anna" reflektiert: "So, wie Don Juan ursprünglich ein wunderbar kräftiger, herrlicher Mann war, so ist sie ein göttliches Weib, über deren reines Gemüt der Teufel nichts vermochte."
Lust oder Vergewaltigung?
Die Ambivalenz der Rolle habe ihn gereizt, sagt Thomas Dézsy. "Donna Anna" werde in der jüngeren Rezeptionsgeschichte meist als Opfer einer Vergewaltigung gesehen. Ältere Auffassungen - etwa jene Hoffmanns - sehen in ihr aber durchaus auch die Liebhaberin aus Lust.
"In der Oper gibt es Rollen, zum Beispiel die der Donna Anna. Im Theater werden diese Rollen von Menschen ausgefüllt. Aber egal, ob nun Cecilia Bartoli oder die Gruberova in die Rolle der Donna Anna schlüpfen, die Rolle existiert immer auch abseits dieser Versionen", meint Dézsy, der gleich drei Donna Annas auf die Bühne stellt. Die Arie "Or sai chi lonore" (Nun weißt du, wer mir die Ehre nehmen wollte) erklingt in unterschiedlichsten Variationen: jazzig (Barbara Raimondi), als Soul-Hymne (Rosalba Miccoli) oder italienische Canzone (Barbara Borra).
Prima la parola
Das Duett "La ci darèm la mano" wird Don Giovanni und Zerline weggenommen: Mi fa pietà Donna Anna seufzen die Annas im Terzett. Live Electronics (Marcel Daemgen) mischen sich mit a-capella-verfremdeten Popsongs des Damentrios und die flüsternde Stimme von Oliver August führt durch komplexe Überlegungen zur Ästhetik der Verdoppelung. Prima la musica? Das könne er für sich nicht geltend machen, meint Thomas Dézsy.
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