Von den kleinen Menschen

"Diddihasis"

"Diddihasis" sind laut Sigi Zimmerschied ganz kleine Menschen, die alles um sich noch kleiner machen. Der Passauer Kabarettist geht in seinem neuen Solo der Frage nach, wie weit der Künstler unter sein Niveau gehen kann, nur um vom Publikum geliebt zu werden.

Ausschnitt aus Sigi Zimmerschied's "Diddihasis"

"Diddihasi" - so nennt der bayerische Kabarettist Sigi Zimmerschied sein aktuelles Solo. Es ist ein Abend über den Selbstversuch eines Kleinkünstlers vor versammeltem Publikum. Der Passauer Satiriker geht dabei der Frage nach, wie weit sich der Künstler unter sein Niveau zu begeben vermag, um endlich den kommerziellen Erfolg und die bedingungslose Liebe des Publikums garantiert zu haben.

"Diddihasis" und die devote Gesellschaft

"Diddihasis" sind laut Zimmerschied "ganz kleine Menschen, die alles um sich noch kleiner machen, damit sie was sehen“. Mit dunkler Sonnenbrille, als Blinder getarnt, versucht sich Sigi Zimmerschied zuerst seine Zuschauer "schön" zu reden - "Blind-Sein" aus Selbstschutz. Aber wer sitzt nun im Publikum? Menschenrechtler, Volksvertreter oder Journalisten, die Mahlers Fünfte für eine Dispersionsfarbe halten?

Mit "Diddihasi“ ist Sigi Zimmerschied ein Sittenbild geglückt, das sowohl die Frage nach dem Sinn des Kabaretts meisterhaft beleuchtet, als auch den Kabarettisten als moralische Instanz in die optische Schräglage bringt.

Interview mit Sigi Zimmerschied

Was stellen Sie beim Kabarettisten grundsätzlich in Frage?
Kabarett ist mein Beruf, meine Passion und daher auch eines meiner Themen. Nicht zuletzt, weil man sich ja als Satiriker ständig selbst befragt. Und insofern fließen viele dieser Überlegungen auch in mein Programm ein - vor allem dieser Reflex, den ich manchmal in mir selber spüre, diese Fassungslosigkeit, wie einfach man es sich machen könnte, und wie schwer man es sich immer wieder selber macht. Das heißt, wie viel mehr Erfolg man möglicherweise im quantitativen Sinn haben könnte, wenn man nur unter seinen Möglichkeiten und eigenen Ansprüchen bliebe. Und das ist an meinem Abend eine der Hauptgeschichten: dass jemand versucht, sich seine Fantasie, sein Engagement und seine Haltung abzutrainieren und einen Zugang zu den gängigen Komik-Versatzstücken zu finden.

Was erwartet das Publikum von einem Kabarettabend, was erwartet es von Ihrem Kabarettabend?
Der Künstler ist nicht der Sklave des Publikums. Was das Publikum von uns erwartet, das ist ziemlich klar: es erwartet die griffige, die schnelle Pointe, das schnell lesbare Bild. Es erwartet 90 Minuten Unterhaltungswert - "Geist-Thrilling“ auf einem mittleren bis unterem Niveau. Das wird erwartet. Nur - es ist nicht meine Aufgabe, diese Erwartungen zu erfüllen. Ich spiele aber damit und versuche, dieses Spiel etwas weiter zu entwickeln. Ich versuche dem Publikum sozusagen Brocken hinzuwerfen, schlage aber sofort wieder einen Haken, einen anderen Weg ein - getrieben von der Zentrifugalkraft der eigenen Fantasie. Ich spiele auch mit dem unlauteren Teil der Seele eines korrekten Satirikers, der zugibt, auch gern einmal 'einfach so' Erfolg zu haben. Und der sie daher auch probiert, die ganze Humorpalette - das Silben-Verdrehen, das Gesichter-Schneiden, den ganzen Zeitgeist abgrasen - diese ganzen, kurzatmigen Erfolgsgeschichten. Aber nur, weil der Künstler geliebt werden will, kann er nicht auf lange Sicht unter seiner Qualität bleiben.

Sie haben die Brisanz der Comedy einmal mit der eines Pfarrfaschings verglichen. Was zeichnet das Kabarett für Sie aus?
Populäre Formen der Unterhaltung gibt es, seit einer zum ersten Mal einem andern etwas vorgespielt hat. Was mich ärgert, das ist der Etikettenschwindel. Man präsentiert diese Unterhaltungsprogramme und tut so, als wäre es Satire. Unterhaltung, Comedy - das ist ein eigener Gattungsbegriff, den wird es immer geben, der hat aber nichts mit Kabarett zu tun. Da passiert eine Vermischung, die ärgert mich. Und in den Medien wird diese Bewusstseinsverwirrung noch fortgesetzt. Die Menschen können nicht mehr unterscheiden, man hat keine Vorstellung, wo die Trennlinie zwischen populärer Unterhaltung und Kabarett ist. Also nimmt man für alles den gängigen Begriff. Für mich grenzt sich das Kabarett aber ganz stark von der populären Unterhaltungskunst ab. Man kann nicht nur die Publikumserwartungen bedienen, nichts mehr in Frage stellen, denn - Humor ist nicht Selbstzweck, sondern reales Instrumentarium zur Gegenwehr.

War es für Sie eine logische Konsequenz, die Selbstzweifel eines künstlerischen Einzelkämpfers auf der Bühne zu thematisieren?
In meinem letzten Programm "Ihobs" habe ich die Odyssee eines Kämpfertypen gezeigt, der heroisch zu neuen künstlerischen Ufern aufbricht. In diesem Kabarettprogramm schaue ich mir diesen Typen genauer an: wo sind die Widersprüche in ihm selber, was sind einfach nur Reflexe. 'Diddihasi' ist gewiss eine Fortführung des vorangegangenen Programms. Bei mir erwächst immer ein Programm aus dem anderen. Diesmal thematisiere ich auch die Gefahr der Korrumpierbarkeit des Kunstschaffenden, der Müdigkeit, des Verschleißes. Es hat schon etwas von einem Selbstversuch - es hat etwas von dem Gefühl, wenn man Frösche und Schlange angreift, in Geisteskloaken herumsucht.

Wie intensiv beschäftigen Sie sich mit der neuen Generation von Kabarettisten?
Also ich schau mir - nicht während ich schreibe, aber über das Jahr verteilt - fast alles an, was es an jungen Kabarettisten und Satirikern gibt und stelle fest, was aus den Nestern heraus wächst. Vielleicht ist auch Kabarett nicht unbedingt die Form, in der sich die nächste Generation ausdrücken will. Vielleicht kommen andere Formen auf uns zu. Das Kabarett hat sich erschöpft; man merkt, wie die 'Ränder' wegbrechen. Vieles, was so im großen Sog des Kabarettbooms mitgewachsen ist und sich Richtung Fernsehen verabschiedet hat, ist nach zwei Jahren ganz verschwunden. Kabarettistische 'Triebtäter' wachsen ja nicht auf den Bäumen. Es war aber immer so in der Kabarettgeschichte, dass es Phasen gab, wo nur die alten Monolithen auf der Bühne zurückblieben. Vielleicht hängt das auch mit politischen Verhältnissen zusammen. Vielleicht muss der Druck krasser werden, dass junge Menschen wieder das Medium Kabarett wählen, um sich auszudrücken.