Der Chansonsänger Serge Reggiani
Vom Film zum Chanson
Serge Reggiani hatte schon eine ansehnliche Karriere als Film- und Theaterschaupieler hinter sich, als er im Alter von 43 Jahren anfing, Chansons zu singen. Sein Debütalbum mit Texten von Boris Vian wurde ein großer Erfolg.
8. April 2017, 21:58
CD-Ausschnitt aus Serge Reggianis "L'Italien"
Mit seiner tiefen, warmen Stimme ist er ein Vertreter des literarisch anspruchsvollen Chansons, ohne deswegen elitär zu sein. Hierzulande ist er leider viel zu wenig bekannt - der gebürtige Italiener Serge Reggiani, ein Chansonsänger, der erst mit 43 Jahren zu singen begann.
Das Multitalent
Wie Yves Montand ist er ein Sohn italienischer Emigranten. Schauspieler, Sänger, Maler und Schriftsteller: Serge Reggiani ist ein Multitalent. Als er zum Chanson wechselte, hatte er sich schon einen Namen als Schauspieler gemacht, am Theater und vor allem im Film, etwa in "Les portes de la nuit" von Marcel Carné oder "Casque dOr" von Jacques Becker, der Simone Signoret zum Durchbruch verhelfen und der der Beginn einer Lebensfreundschaft mit der Schauspielerin werden sollte.
Literarisch anspruchsvolle Lieder
Geboren wurde Reggiani im Mai 1922 in Reggio Emilia, in Norditalien. Im Alter von zehn Jahren flieht er mit seiner Familie vor dem Faschismus in die Normandie, später nach Paris. Seine Wurzeln hat er nie verleugnet. Wenn man von Serge Reggiani spricht, denkt man immer an wunderschöne, etwas traurige oder zumindest melancholische Lieder: Seine tiefe, warme Stimme, und auch die Geschichten, die er erzählt: meist nostalgische Blicke zurück, die Zeit die vergeht oder vergangen ist, versäumte Gelegenheiten, zerbrochene Liebesgeschichten, oder Begegnungen, die ein paar Jahre zu spät stattgefunden haben.
Debut mit 43
Serge ist 37, als er im Zuge einer Radiosendung 20 Chansons singt, aber sein wirkliches Debut als Sänger sollte erst sechs Jahre später erfolgen. Bei Yves Montand und seiner Frau Simone Signoret trifft er eines Tages einen Talente-Entdecker - Jacques Canetti. Er ermuntert ihn zu singen. Seine ersten Versuche sind Chansons von Boris Vian. Der Schriftsteller, Jazzmusiker und Schauspieler, der schon damals, Mitte der 60er Jahre, vor allem bei den jungen Franzosen eine Art Mythos war, schrieb surrealistisch-ironisch-anarchistische Chanson-Texte.
Politisch engagiert
Reggiani hat auch Texte von anderen großen Poeten und Schriftstellern gesungen. Er war auch immer politisch engagiert, und es ist interessant, dass er - gerade vor 1968 - beim französischen Publikum, einem jungen Publikum, auch als Sänger sehr populär geworden war. Vielleicht, weil in seiner ersten Platte Chansons von Boris Vian zu finden sind. Diese Platte hat auch die Aufmerksamkeit der großen Barbara erregt. Sie hat ihm vorgeschlagen, den ersten Teil ihrer Konzerttournee im Bobino in Paris zu machen. Barbara sollte ihm auch helfen, seine Stimme auszubilden. Im Alter von 44 Jahren nimmt er ein zweites Album auf. Das Titellied "Les loups sont entrés dans Paris"- "Die Wölfe sind in Paris eingedrungen" - ist eine Parabel auf die Besatzung von Paris durch die Nazis.
Der Durchbruch als Chansonsänger
Mit seiner zweiten Platte wird er berühmt. Jacques Brel wird auf ihn aufmerksam, die demonstrierenden Studenten im Mai 1968 verlangen, dass er in der medizinischen Fakultät singt. In vier Monaten verkauft er knapp 230 000 Platten. Manche Nummern werden zu Hits und in Juke-Boxen immer wieder gespielt, etwa "Maxims", von Serge Gainsbourg.
1974 erhält Reggiani wieder eine sehr schöne Rolle in Claude Sautets Film "Vincent, Francois, Paul et les autres, neben Yves Montand, Michel Piccoli und dem jungen Depardieu. Eine Geschichte von drei Freunden, mit Höhen und Tiefen, wie das Leben so spielt, nach einem Drehbuch von Jean-Loup Dabadie, der auch Chansontexte schreibt. "La chanson de Paul" ist dem Drehbuch dieses Films nachempfunden.
Rückzug nach Schicksalsschlägen
Nach einigen Schicksalsschlägen wie dem Selbstmord seines Sohnes Stephan, der auch mit ihm als Sänger und Komponist auftrat, und obwohl er weiter als Sänger und Schauspieler arbeitet, kämpft er mit schweren Depressionen. Auch sein vermehrter Alkoholkonsum wird mehr und mehr zum Problem. Immer wieder zieht er sich zurück, um zu malen. 1989 kommt ein neues Album heraus, wo er eine Serie von Porträts von Künstlerpersönlichkeiten wie Camille Claudel, Picasso oder Chaplin besingt.
Link
Serge Reggiani - dt. Biografie