Eine Momentaufnahme der Popkultur
Das Cover von Sgt. Pepper
"Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" ist eine der erfolgreichsten LPs der Musikgeschichte und gilt als das "innovativste, einfallsreichste und am meisten Stil bildende Album seiner Zeit". Doch nicht nur die Musik der Beatles, auch ihre Verpackung gilt als genial.
8. April 2017, 21:58
"Sgt. Pepper" erschien 1967 - nach "Rubber Soul" und "Revolver" erneut ein bahnbrechendes Beatles-Album und ein Millionenseller. Was ist aber das Besondere am Sgt.-Pepper-Cover? Es zeigt, als Gruppenbild mit Beatles, rund 80 Prominente: ausgeschnittene, lebensgroß vergrößerte, auf Pappe aufgezogene Fotos von Figuren, arrangiert wie zu einem Klassenbild, mit John, Paul, George und Ringo in der Mitte. Mit von der Partie: Mae West und Marilyn Monroe, Shirley Temple und Marlon Brando, Marlene Dietrich und Lewis Carroll, Stan Laurel und Oliver Hardy, Johnny Weismüller und Karlheinz Stockhausen, Karl Marx und Albert Einstein - und diverse indische Gurus, die Idole der Beatles.
Im Bildvordergrund diese selbst, einmal als Wachsfiguren aus Madame Tussauds Kabinett, vier brav gekleidete junge Männer in Anzug und Krawatte, ein zweites Mal als schräge Typen mit Schnauzbärten, kostümiert mit knallbunten Seidenuniformen. Davor eine Trommel mit der Aufschrift "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" und, durch ein Blumenarrangement gebildet, der Schriftzug "Beatles". Ein Cover voll mit optischen Reizen also.
Ein "Pantheon der Massenkultur"
"Wir waren absolut sprachlos", erzählt der Kunsthistoriker Walter Grasskamp. "Es bot so viel an visueller Information, wie kein Cover zuvor. Wir wollten ja nichts von antiker Plastik wissen, nichts von mittelalterlicher Kunst, sondern was uns interessierte war das, was wir auch konsumierten: Film, Sport und Musik. Wir wurden genau dort abgeholt, wo unsere heimlichen Interessen lagen, oder sagen wir: die Interessen, die in der Schule kein Thema waren."
Mittlerweile hat Walter Grasskamp die Schulbank mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte getauscht, und mit dem Blick und dem Instrumentarium des kunstsoziologisch versierten Wissenschaftlers analysiert er in seinem reich, aber ein bisschen zu kleinformatig bebilderten Essay das Sgt.-Pepper-Cover als Pop-Art-Produkt, eine "bühnenbildartige Collage", wie Grasskamp sagt, die ein "Pantheon der Massenkultur" zeigt - und zugleich eine Art "Kanonrevision" betreibt, indem sie high- und low-culture miteinander verschmilzt.
Alter Ego der Beatles
Gestalter des Sgt.-Pepper-Covers ist der Maler Peter Blake, ein renommierter Vertreter der britischen Pop Art. Zwar reklamierte auch Paul McCartney die geistige Urheberschaft für sich, Blake, dessen damalige Frau und der Fotograf Michael Cooper aber realisierten schließlich das Projekt, das sich auch dadurch auszeichnete, dass auf der Plattenschutzhülle zum ersten Mal überhaupt Songtexte abgedruckt waren und das Ganze noch einen Ausschneidebogen enthielt.
Der Titel "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" ist eine Erfindung McCartneys. "Warum verkleiden wir uns nicht und probieren ein Alter Ego aus, da wir es satt haben, die Beatles zu sein", fragte er die anderen - und nennt die Verwandlung der Beatles in die "Musikkapelle der Einsamen Herzen" eine "sehr befreiende Tat".
Gesamtkunstwerk "Sgt. Pepper"
Als Flucht vor kommerzieller Routine und künstlerischer Stagnation interpretiert Walter Grasskamp das neue Erscheinungsbild der Beatles, die keine liebenswürdigen Pilzköpfe mehr sein wollten und deshalb als "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" auftraten: ihr Versuch, die (Zitat) "Gesetze der Kulturindustrie auf eine poetische Weise außer Kraft zu setzen" und sich "aus ihrem Image davonzustehlen". "Sgt. Pepper" ist ein Gesamtkunstwerk, sagt Walter Grasskamp. Beigetragen dazu hat nicht zuletzt das Cover von Peter Blake, das eine Fülle von Interpretationsansätzen erlaubt, wie Grasskamps Essay zeigt. Er macht deutlich, dass Verpackungen mehr als schicke Designerware sein können, dass Kunst und Marketing sich nicht unbedingt ausschließen müssen und eine Plattenhülle nicht einfach eine Plattenhülle ist.
Buch-Tipp
Walter Grasskamp, "Das Cover von Sgt. Pepper", Wagenbach Verlag, ISBN 3803151716