Das "mare nostrum" vor dem Öko-Kollaps

Das Mittelmeer stirbt

Abwässer, Chemierückstände, Öl, Müll und zu viele Fischer - die Situation des Mittelmeeres ist ausgesprochen ernst. 21 Anrainerstaaten mit unterschiedlichen politischen Systemen und Religionen sind betroffen von der drohenden ökologischen und ökonomischen Katastrophe.

Das Mittelmeer ist klein - im Vergleich zu den übrigen Weltmeeren eine mittlere Pfütze,
gerade mal drei Millionen Quadratkilometer groß. Um so schwerer wiegen die Belastungen, denen es ausgesetzt ist.

Gefahr: Öl

Ein Drittel des weltweiten Tankerverkehrs entfällt auf das Mittelmeer. WWF-Italien schätzt, dass etwa eine Million Tonnen Rohöl jedes Jahr ins Meer geleitet werden. Das meiste gelangt beim verbotenen Auswaschen der leeren Tanks auf hoher See ins Meerwasser. Mit 38 Milligramm Teer pro 1.000 Liter Wasser ist es das meist verunreinigte Meer der Welt.


Diese Rohölreste sind hochgiftig und nur sehr schwer zu entsorgen. Und sie sind hoch toxisch. Die Giftstoffe im Rohöl zerstören nicht nur das Ökosystem, sondern gelangen über den Nahrungskreislauf direkt auf unseren Teller.

Gesetzlich ist ein Abpumpen dieser Rückstände in eigens dafür vorgesehenen Anlagen vorgeschrieben, aber viele Kapitäne sparen die Kosten und spülen alles einfach ins Meer. Dank verfeinerter Satellitenüberwachung, so hoffen die Behörden, können in Zukunft Ölreste besser geortet und deren Verursacher ermitteln werden.

Gefahr: Abwässer

Fast vier Milliarden Kubikmeter Abwässer reichern das Mittelmeer Jahr für Jahr mit immer neuen Substanzen an. Die meisten landen direkt vor der Küste. Dort, wo die Menschen gern baden. Quecksilber, Cadmium, PCBs und Dioxin, Blei, Arsen und DDT sowie weitere drei Dutzend giftiger Substanzen sind in den vergangen Jahren in gewaltigen Mengen an Land produziert und dann ins Meer gespült worden. Mit erheblichen Konsequenzen für die Gesundheit.

In der Umgebung der Chemiefabriken von Syrakus auf Sizilien kamen in den letzten Jahren tausend missgebildete Kinder auf die Welt. In den Raffinerien von Marghera, nur ein paar Kilometer von Venedig entfernt, sterben seit Jahren Arbeiter an Krebs. An zahlreichen Küstenabschnitten in Spanien, Tunesien und der Türkei, in der griechischen Ägäis und an der italienischen Adria ist das Baden gesundheitsgefährdend und deshalb verboten.

Die wachsende Bevölkerung belastet die Umwelt zusätzlich. Immer mehr Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, weil in den 21 Anrainerstaaten immer mehr Menschen - bis heute etwa 250 Millionen - an das Meer drängen. Noch einmal so viele kommen, um ihren Urlaub am Meer zu verbringen. Durch die Bevölkerungszunahme und den Tourismus wurden die Natur entlang der Küsten und die wichtigen Trinkwasservorräte bereits sehr stark in Mitleidenschaft gezogen.

Gefahr: Fischfang

Das Mittelmeerwasser verdunstet schneller und ist deshalb salzreicher als der angrenzende Atlantik. Es gibt kaum Plankton und damit auch viel weniger Nahrung in der Unterwasserwelt. Vor allem aber fehlt es an flachen Gewässern, in denen Fische sich überwiegend vermehren und aufhalten. Außer der Adria, dem Golf der Syrte und einigen wenigen Küstengebieten ist das Mittelmeer tief und zerklüftet und wenig geeignet für Flora und Fauna. Der Fischfang konzentriert sich auf wenige Gebiete, die aber längst überfischt sind.

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren viel Geld ausgegeben, um die Fangflotten ihrer Mitgliedsländer und Mittelmeer-Anrainerstaaten Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland zu verringern. Nun wird vor allem der begehrte Thunfisch in Aquakultur, also in großen Käfigen, aufgezogen, aber die Gefahr, dass der Thunfisch und mit ihm viele andere Tierarten aussterben, ist dennoch nicht gebannt.

Die Tiere kommen in schwimmende Käfige und werden einige Monate lang gemästet. Dann werden sie gegen Höchstpreis nach Japan verkauft. Auf diese Weise werden die Thunfischbestände langsam aber sicher zerstört. Jungtiere werden gefangen, noch bevor sie zur Vermehrung ihrer Art beitragen können. Zudem gelten diese Tiere als Produkt aus künstlicher Aufzucht und werden deshalb nicht von den Höchstfangquoten abgezogen.

Bis jetzt haben viele kleine Fischer aufgeben und den schwimmenden Fischfabriken aus Japan Platz machen müssen, die sich in den internationalen Gewässern des Mittelmeers - das sind beinahe achtzig Prozent seiner gesamten Fläche - aufhalten. Um den Raubbau zu verhindern, sieht WWF-Italien nur eine Lösung: Abschaffung des Status als internationales Gewässer und Aufteilung unter den Anrainerstaaten. Jedes einzelne Land könnte dann den Seebereich vor den eigenen Küsten bis hin zur Mitte des Meeres überwachen. Fremde Fangflotten müssten dann mit jedem einzelnen Anrainerstaat Verträge abschließen, in dessen Seegebiet sie fischen wollen.