Viagra für das Gehirn
Smart Pills
Medikamente zur Steigerung der Gehirnleistung könnten den pharmazeutischen Markt revolutionieren. Was als Behandlungsmöglichkeit von Krankheiten entwickelt wird, könnte als Lifestyle-Droge die Träume einer Leistungsgesellschaft erfüllen.
8. April 2017, 21:58
Eine Pille für bessere Konzentration, eine für's exaktere Erinnerungsvermögen, eine für's leichtere Lernen. Die Entwicklung stammt zu einem großen Teil aus der Erforschung neuer Medikamente gegen Krankheiten wie Alzheimer.
Was bei diesen Leiden den Abbau oder das nicht-mehr-Funktionieren des Gehirns aufhält, könnte grundsätzlich neuen Schwung für graue Zellen bedeuten, versprechen sich so manche Wissenschafter von einer neuen Generation von Gehirn- und Gedächtnis-Medikamenten.
Wettlauf um "Smart Pills"
Der Forschungswettlauf um neue, bessere, stärkere "smart pills" hat begonnen, und er wird von den besten des Feldes bestritten. Bei Helicon Therapeutics, einer 1997 gegründeten Firma mit Sitz in New York, kristallisiert sich gerade ein erster Kandidat für ein Medikament heraus.
Die Substanz wirkt im Tierversuch: Mäuse erinnern sich schneller an neue Objekte, ihre Gedächtnisfähigkeit im Alter ist erhöht, Ratten erholen sich nach einem Schlaganfall schneller und besser. Klinische Studien am Menschen sollen noch diesen Sommer beginnen. Wenn alles gut geht, könnte das Medikament in 3 bis 5 Jahren Marktreife erlangen, hoffen die Wissenschafter bei Helicon.
Erste Phase Eins Studien
Einen Schritt weiter ist man bei einer anderen Firma, ebenfalls an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Memory Pharmaceuticals, gegründet 1998 von Eric Kandel, der 2000 für seine Erforschung der Lernvorgänge mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, und seinem Nobelkollegen Walter Gilbert.
Dort werden klinische Phase Eins Studien mit einem Gedächtnisverstärker für Alzheimer-Patienten gerade abgeschlossen - und die Firma bereitet ihren ersten Börsegang vor.
"Nur" auf der Suche nach Heilmitteln?
Auch in der Direktion von Helicon Therapeutics finden sich klingende Namen, wie etwa der des Nobelpreisträgers James Watson. Offiziellen Aussagen zufolge geht es ihnen allen in erster Linie darum, die Erkenntnisse der neuesten Hirnforschung zu nutzen, um Medikamente gegen dementielle Krankheiten wie zum Beispiel Alzheimer zu entwickeln.
Alleine geschätzte vier Millionen Alzheimer Kranke in den USA sind dafür ein Ansporn.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Die Zielgruppe freilich könnte noch viel größer sein. Von der Behandlung leichter Vergesslichkeit bis hin zu einer prinzipiellen Steigerung der Gedächtnisleistung - mögliche Interessenten einer Pille fürs Hirn gäbe es wohl mehr als genug.
Noch ist das zwar Zukunftsmusik, winken die meisten Wissenschaftler vorsichtig ab. Nicht zuletzt über Nebenwirkungen, zumal psychologische, wisse man noch viel zu wenig bescheid. Mit "Viagra für's Gehirn" hat sich aber schon ein verkaufsträchtiges Schlagwort für mögliche neue Kognitionsverstärker als Lifestyle-Drogen gefunden.