Scharfe Kritik an Ronacher-Plänen
Musical im Ronacher
Die Musiktheaterreform und die Umstrukturierung der Vereinigten Bühnen Wien gehen nicht ohne Diskussionen über die Bühne. Seit bekannt ist, dass das Budget für Theater an der Wien, Ronacher und Raimundtheater verdoppelt werden soll, gehen die Emotionen hoch.
8. April 2017, 21:58
Kluge Kulturinvestition für die Musikstadt Wien oder Fehlinvestition in ein absteigendes Genre? Das ist die heißdiskutierte Frage in der Wiener Kulturpolitik - vor allem, seit Anfang Februar erstmals konkrete Budgetzahlen für die Vereinigten Bühnen genannt wurden.
Von den insgesamt 40 Millionen Euro soll Roland Geyer 21,6 Millionen für die klassische Bespielung des Theater an der Wien bekommen, 18,4 Millionen werden Kathrin Zechner zur Verfügung stehen, um im Raimundtheater und Ronacher Musical und urbanes Unterhaltungstheater zu bringen.
"Wirtschafts- und Tourismusfaktor"
Die Erhöhung des Budgets um 20 Millionen Euro sei durchaus gerechtfertigt, meint Kulturstadtrat Andreas Mailath Pokorny: "Das Musical hat Wien immer auch ausgemacht. Sie dürfen nicht vergessen, dass unseren Daten zufolge 1,8 Millionen Besucher der Oper wegen und 1,9 Millionen Besucher des Musicals wegen nach Wien kommen. Das ganze ist ein wichtiger Wirtschafts- und Tourismusfaktor."
ÖVP will anders investieren
Das Musical sei in der Krise und die Zeiten, als Besucher wegen Cats nach Wien gereist sind, sei schon lange vorbei, meint der Kultursprecher der ÖVP, Andreas Salcher. Er sähe das Geld lieber anders investiert, jedenfalls nicht "in einen Bereich, den man im besten Fall Unterhaltungskultur nennen kann, mit 550 Millionen Schilling Umbaukosten, und zwar ausschließlich Steuergelder."
Das Geld solle man "in die beste Filmausbildung Europas investieren. Im Theaterbereich haben wir eine Reform, wo wir durchaus mehr Geld brauche könnten." Und "viele andere neue Formen der Elektronischen Medien" hätten auch Geld bitter nötig.
Aufschrei der freien Szene
Gerade in der freien Szene, wo im Zuge der Theaterreform 1,7 Millionen Subvention auf 50 Gruppen aufgeteilt wurden, empfindet man Summen von 40 Millionen Euro als Hohn. Das schafft Schlagzeilen, wie "Wer braucht das Ronacher" und bitterböse offene Briefe - zum Beispiel von Hubsi Kramar, der der Kulturpolitik Menschenverachtung vorwirft.
Andreas Mailath Pokorny schwächt ab: "Es wird niemandem weggenommen. Die Grundbedingung, auch für mich, war, dass das nicht Geld ist, das den sogenannten Kleinen weggenommen wird, sondern dass es zusätzlich kommt. Dieses Projekt für die großen Bühnen in Wien ist eine zusätzliche Investition."
"Urbanes Unterhaltungstheater" im Ronacher
Kathrin Zechner, die ab 2006 Ronacher und Raimundtheater leiten wird, arbeitet gerade an einem Bespielungskonzept. Musical und urbanes Unterhaltungstheater möchte sie dem Publikum bieten und dabei auch die heimische Musik- und Austropop-Szene miteinbeziehen, wenngleich hier noch einige Überzeugungsarbeit von Nöten ist.
"Ich habe nur einmal gesagt, ich möchte Leute aus der Musikszene einladen, über Musical und Musiktheater der Jetztzeit nachzudenken", wundert sich Zechner, "und die Reaktion ist sofort: Nein interessiert mich nicht, Musical will ich nicht. Da stelle ich mir berechtigterweise die Frage: Wenn genau diese Szene der Meinung ist, dass zuviel aus Amerika oder England importiert wird und gleichzeitig aber schon den ersten Dialog und kreativen Austausch verweigert - da geht sich irgendwas nicht aus."
Der Ronacher-Umbau
Um das Haus permanent bespielen zu können, muss das Ronacher erst musicaltauglich gemacht werden. 1987 scheiterte ein Umbaukonzept von Coop Himmelb(l)au an der Finanzierbarkeit. Man entschied sich für ein sanftes, schrittweises Sanierungskonzept. 1993 wurden die Außenfassade und die Innenräume renoviert, nun soll mit Schnürboden, Unterbühne und Probebühne der zweite Schritt folgen.
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Obwohl die Opposition Widerstand gegen den Umbau des Ronacher angekündigt hat, ist er so gut wie fix und soll bis 2006 abgeschlossen sein. Eines ist sicher: Bis man sich am urbanen Unterhaltungstheater erfreuen können wird, werden noch einige Diskussionen darüber geführt werden, ob jedes Geld, das in Kultur investiert ist, auch gut investiert ist.