Der Führer bin ich selbst
Auftakt zum Bürgerkrieg
Heute jährt sich zum 70. Mal der Beginn des Bürgerkriegs in Österreich. Den Boden für die Februar-Ereignisse hatte der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß bereitet. Ein Buch dokumentiert den Briefwechsel zwischen ihm und dem Diktator Mussolini.
8. April 2017, 21:58
Kurz nach der Ausschaltung des Nationalrates im März 1933 unternahm Bundeskanzler Dollfuß zwei Reisen nach Rom, bei denen er Mussolini besuchte. Bei diesen Gesprächen war "über das Schicksal Österreichs entschieden worden", wie es in dem gerade erschienenen Buch "Der Führer bin ich selbst" heißt.
Bei den Verhandlungen in Rom hatte er (Anm.: Dollfuß) Mussolini sein "Programm für den inneren Neuaufbau Österreich" entwickelt, das die Zerschlagung der Sozialdemokratie voraussetzte, und dafür die Zustimmung des Duce gefunden.
Der nach diesen Verhandlungen geführte geheime Briefwechsel zwischen Dollfuß und Mussolini verrät mehr:
Mussolini an Dollfuß
Rom, 1. Juli 1933, anno XI
Persönlich.
Herr Kanzler,
(...)
Aus zahlreichen Nachrichten über die Lage in Österreich, die ich erhalten habe und die ich für zutreffend erachte, habe ich die Überzeugung geschöpft, dass in diesem Land sich ein wirkliches Wiedererwachen des vaterländischen Gefühls zeigt, das sich um die Gedanken der Unabhängigkeit des Staates und der historischen Mission des deutschen Österreich polarisiert. Wie sich E.E. erinnern werden, war es immer mein Gedanke gewesen, dass es sich gehören würde, diese Fahnen zu entfalten und dieses Gefühl zu pflegen, um der von E.E. geführten Bewegung ein ideales Ziel zu geben.
Ich halte den Gedanken der Schaffung der Vaterländischen Front für einen sehr guten und glaube, dass je grösser die Erfolge derselben werden sein können, desto mehr sich die verschiedenen Parteien, welche das nationale Österreichs verfechten, verschmelzen werden.
Ich bin auch froh zu wissen, dass die Heimwehren, auf die E.E., wie ich es immer geglaubt habe, hauptsächlich zählen sollten, ihrer Aufgabe gut entsprechen und sich vollkommen in die Politik, die E.E. entwickeln, eingefügt haben.
Das Interesse, mit welchem ich die Lage in Österreich verfolge, gestattet mir, Ihnen einige meiner Ideen über die zukünftige Entwicklung der Campagne auseinanderzusetzen, und dies auch in Beziehung auf die Hilfe, welche unser Land Österreich gewährt. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass E.E. gegen die verbrecherischen Attentate, die in letzter Zeit in Österreich verübrt und den Nationalsozialisten angelastet worden sind, in der energischsten Weise reagieren und die notwendigen Maßnahmen ergreifen müssen, selbst wenn es falls nötig - und ich würde wünschen, dass man es vermeiden könnte - auch zum Belagerungszustand kommen sollte.
(...)
(gez.) Mussolini
Dollfuß an Mussolini
22. Juli 1933
Euer Exzellenz
(...)
Was die von EE. Betonte Notwendigkeit der baldigen Einführung innerer Reformen im Sinne einer berufsständischen und autoritären Verfassung betrifft, so teile ich durchaus die Auffassung EE., dass die auf die Erzielung einer festen staatlichen Autorität gerichtete Tätigkeit der österreichischen Bundesregierung auch nicht für einen Augenblick einen Stillstand erleiden darf. Wie EE. Aus unseren Gesprächen bekannt ist, beschäftige ich mich seit langem konstruktiv mit diesem Gedanken. Ich bin daher seit dem mit der Parlamentskrise vom März 1. J. eingetretenen Anbruch der gegenwärtigen Phase der österreichischen Innenpolitik unablässig bemüht, den Boden für die Aufrichtung des meiner Überzeugung nach meinem Lande am besten zusagenden straffen Autoritätsregimes vorzubereiten.
(...)
Ich muss allerdings in diesem Zusammenhange erwähnen, dass meine ernstlichen Bestrebungen in diesem Sinne dadurch beträchtlich gehemmt worden sind, dass mir der Nationalsozialismus, der unverzeihlicherweise dem Marxismus teils direkte teils indirekte Schützenhilfe leistet, in den Rücken gefallen ist. Trotzdem lasse ich mich in der Verfolgung des mir gesteckten Zieles nicht beirren.
(...)
Euer Exzellenz ganz ergebener D.
Mehr zum 12. Februar 1934 in oe1.ORF.at und ORF.at
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In der Sendung "Von Tag zu Tag" spricht Johann Kneihs mit Wolfgang Maderthaner, der soeben den Briefwechsel von Engelbert Dollfuß und Benito Mussolini veröffentlicht hat, und dem Historiker Dieter Binder.
- Warum gibt es in der Bewertung des Bürgerkriegs nach wie vor keinen Konsens?
- Was verbinden Sie persönlich mit dem Datum 12. Februar 1934?
- Halten Sie eine derartige Polarisierung heute noch für möglich?
- Wäre ein Bürgerkrieg in Österreich heute noch möglich?
- Glauben Sie, dass sich die damaligen Ereignisse heute noch auswirken?
Buch-Tipp
Wolfgang Maderthaner, Michaela Maier (Hg.), "Der Führer bin ich selbst", Löcker Verlag, ISBN 3854093934
Link
12. Februar 1934 bei aeiou