Zum 10. Todestag des Wissenschaftsphilosophen
Anything Goes
Absolute Regeln gibt es in der Wissenschaft ebenso wenig, wie in irgendeiner anderen Tradition, war Paul Feyerabend überzeugt. Mit seiner Wissenschaftskritik sorgte der unkonventionelle Philosoph vor allem in den 1970er Jahren für Aufsehen.
8. April 2017, 21:58
Paul Feyerabend über "dumme" Ideen und deren mögliche Folgen
"Anything goes" - mit diesem Slogan wird Paul Feyerabend 1975 schlagartig weit über die Grenzen seines Faches hinaus bekannt. Die Erkenntnis- und Wissenschaftskritik des Philosophen wird auf einen ironischen Punkt gebracht: das Durchwursteln, Umschmeißen und kreative Finden war immer schon Antriebsmoment der größten Leistungen.
Vernünftig genug für die Unvernünftigkeit
Für Paul Feyerabend war "Anything Goes" bezeichnenderweise nicht sein einziger Grundsatz - sondern die einzige Regel, die er den Rationalisten auf der Suche nach Grundsätzen in der Wissenschaft anzubieten hatte. Ihm selbst ging es mehr um die Ermunterung, sich - egal auf welchem Gebiet - seines eigenen Verstandes ohne Rücksicht auf die Normen der herrschenden Meinung zu bedienen; vernünftig genug für die Unvernünftigkeit zu sein - ohne damit beliebig zu werden.
Gerade auch in der vermeintlich streng rationalen und objektiven Wissenschaft gelte, dass "Wahrheit ist, was der Denkstil sagt, dass Wahrheit sei". Besonders beliebtes Ziel seiner pointierten Kritik und seines oft beißenden Spotts war die akademische Philosophie - die dem anarchistischen Rebellen diese Respektlosigkeit reichlich übel nahm.
Philosoph und Musikliebhaber
Paul Feyerabend wird am 13. Jänner 1924 in Wien geboren. Schon während der Schulzeit beschäftigt er sich intensiv mit Astronomie, Physik und Mathematik und legt - schon früh getreu seinem späteren Plädoyer für die Selbsterziehung - Grundsteine für seine lebenslange eigenwillige Beschäftigung mit der Wissenschaft. Mit Geigenunterricht und Gesangsstunden begründete er auch eine zweite lebensbegleitende Passion: Seine Liebe zur Musik, insbesondere zur Oper.
Beides wurde durch den zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen. Paul Feyerabend wird in die Armee eingezogen. Anfang 1945 wird er in den Rücken geschossen. Als Folge dieser Verletzung braucht er sein Leben lang Krücken und oft starke Schmerzmittel - Umstände, um die er allerdings nie großes Aufhebens machte.
Feyerabend und Popper
1948 lernt Paul Feyerabend in Alpbach Karl Popper kennen. Der Grand Seigneur des Kritischen Rationalismus fand an dem jungen, kritischen und allseits diskussionsbereiten Studenten aus Wien Interesse. Anfang der 50er Jahre studiert Paul Feyerabend ein Jahr bei Kral Popper. Die anfängliche Freundschaft wird später aber immer mehr in Entfremdung umschlagen, Karl Popper zu einem Lieblingsziel von Feyerabnds Philosophie- und Philosophenkritik werden.
Anything Goes
Ab 1958 lehrt Paul Feyerabend an der kalifornischen Universität Berkeley. Er ist in der Philosophie bereits als innovativ und streitbar weit bekannt, als 1975 sein wohl berühmtestes Buch "Wider den Methodenzwang" unter dem englischen Titel "against method" erscheint.
Vor allem ein Satz, viel mehr, eine Kurzformel ist es, die seither mit Paul Feyerabend in Verbindung gebracht wird: Anything Goes, die Empfehlung an die Regel-Suchenden, mit der Feyerabend das erste Kapitel seines Buches schließt. Der Slogan wurde ihm schnell als Aufruf zu völligen Beliebigkeit ausgelegt - auch wenn er so keineswegs gemeint war. Paul Feyerabend wird als einer der Gründerväter des Postmodernismus angesehen, von dem er sich selbst jedoch in den 80er Jahren deutlich abwandte.
Ein Künstler in der Wissenschaft
Die Witzigkeit Paul Feyerabends hatte - ebenso wie Redegewandtheit und Lust an der Provokation - sicher auch einen maßgeblichen Anteil am Erfolg und an der Breitenwirkung des Philosophen. "Er war eine Künstlernatur, die in die Wissenschaft geraten ist und dort für Provokationen gesorgt hat", sagt sein langjähriger Freund, der Heidelberger Philosoph Hans Albert. Am 11. Februar 1994 stirbt Paul Feyerabend in der Schweiz an einem inoperablen Hirntumor.