Hilde Sochor - ein Porträt zum 80. Geburtstag

"Frau Bockerer"

Über 130 große Rollen hat Hilde Sochor gespielt. In ihrem Stammhaus, im Wiener Volkstheater, war sie von 1949 bis zum Jahr 1996 Ensemblemitglied und hat dort unter fünf Direktoren gespielt; einer davon, Gustav Manker, wurde ihr Mann.

Hilde Sochor über ihre allererste Kindheitserinnerung

Nestroy und Raimund hat sie besonders gern gespielt, später kamen Stücke von Brecht, Schnitzler, Horvath, Ibsen hinzu. Ob im Fernsehen oder auf der Bühne, ob als "Frau Bockerer" oder in unzähligen anderen beeindruckenden Frauenrollen - Hilde Sochor gehört zu den großen Menschendarstellerinnen des deutschsprachigen Theaters. Am 5. Februar feiert sie ihren 80. Geburtstag.

Theater - ihre große Leidenschaft

Wenn Hilde Sochor über Theater spricht, dann spürt man sofort ihre Faszination und ihre ungebrochene Leidenschaft für dieses Metier:

“Ich will spüren können, was diesen Menschen auf der Bühne bewegt, was ihn antreibt, was das Leben mit ihm anstellt - und - wie er sich dagegen zur Wehr setzt. Nur, wenn mich der Schauspieler auf der Bühne als Mensch berühren kann, in seiner Verzweiflung, in seiner Lebensfreude, in seinem Zorn, in seiner Trauer - nur wenn all das glaubhaft erlebbar ist, auch für den Zuseher, dann bleibt Theater für mich spannend".

Schon in jungen Jahren hatte sie heimlich nur einen Berufswunsch - den der Schauspielerin.

Das Dreimäderlhaus

Die Familie konnte mit ihren Träumen für's Theater wenig anfangen. Deswegen erzählte die junge Hilde auch nichts von ihren geheimen Wünschen. Mit ihrer geschiedenen Mutter, der um zwei Jahre älteren Schwester und den Großeltern wuchs Hilde Sochor in Breitensee im 14. Wiener Gemeindebezirk auf. "Nach dem Tod der Großeltern waren wir Frauen auf uns allein gestellt," erinnert sich Hilde Sochor. “Wir waren so ein richtiger Weiberhaushalt und mussten einfach schauen, wie wir durchkommen."

So musste die Begeisterung fürs Theater vorerst nur fürs Studium der Publizistik und der Theaterwissenschaften herhalten. Aber der Wunsch, Schauspielerin zu werden, wurde immer größer...




Beim Reinhardt-Seminar gescheitert

1945 versuchte sie gemeinsam mit einer Freundin, die Aufnahmsprüfung am Wiener Reinhardt-Seminar zu bestehen. Sie fiel - wie sie selbst sagt - "mit Pauken und Trompeten" durch, entschloss sich aber dann doch, neben dem Studium eine Schauspielschule zu besuchen.

Sie nahm Theaterunterricht bei Leopold Rudolf und bei Wolfgang Heinz und legte 1948 ihre Schauspielprüfung ab. Hilde Sochor promovierte noch zum Dr. phil., dann begann - zunächst an den Wiener Kammerspielen, später am Volkstheater - ihre lange Bühnenkarriere.

47 Jahre Volkstheater

1948 debütiert Hilde Sochor - damals 24 Jahre alt - in den Wiener Kammerspielen als Stubenmädchen, im Stück “Parforce" von Alexander Lernet-Holenia. Für das Bühnenbild zeichnete Gustav Manker - ihr späterer Mann - verantwortlich. Der damalige Volkstheater-Direktor Paul Barnay sieht die junge Schauspielerin und engagiert sie. Ihre erste Rolle hat sie in Ludwig Anzengrubers "Der Pfarrer von Kirchfeld". 1956 heiraten Gustav Manker und Hilde Sochor. Ein temperamentvolles Paar hatte sich gefunden - privat und im Theater.

Von 1949 bis 1996 blieb Hilde Sochor am Wiener Volkstheater. Gastspiele waren selten und eher die Ausnahme. Angebote hätte es genug gegeben, viel wäre - auch im Ausland - möglich gewesen, das ist Hilde Sochor durchaus bewusst. Und doch - sie hat sich schon früh - der Kinder und der Familie zuliebe - für einen anderen Weg entschieden. "Ich hätte es nicht ertragen, meine Kinder monatelang nicht zu sehen", sagt Hilde Sochor.


Das Privatleben wichtiger

1956 wurde Tochter Katharina geboren, 1958 Sohn Paulus, 1967 Tochter Magdalena. Dass es zwei ihrer Kinder, Katharina Manker und Paulus Manker, auch zum Theater zog, erstaunt sie wenig:

"Sie sind damit aufgewachsen. Natürlich haben mein Mann und ich auch zu Hause viel übers Theater gesprochen. Dieses Miteinander von Familie und Theater - das war uns beiden immer wichtig..."

Vom Sohn Paulus Manker, mit dem sie etwa in Joshua Sobols “Weiningers Nacht" auch gemeinsam unter seiner Regie auf der Bühne stand, schwärmt sie auch als Schauspielerin.

"Er war - abgesehen von meinem Mann - der beste Regisseur, mit dem ich je gearbeitet habe. Er hat ein besonderes Gespür für Schauspieler, für kraftvolle Inszenierungen..."

"Mama Schoitl"

Dass sie von manchen nur als die “Mama Schoitl" aus dem “Kaisermühlenblues" wahrgenommen wird und im Film sehr oft auf die Rolle der hantigen Alten aus dem Hinterhof reduziert wird, ärgert sie mitunter, hat sie doch auf der Bühne stets ihre Vielseitigkeit unter Beweis gestellt.

Zuletzt beeindruckte sie etwa als 90-jährige Bäuerin Grace im Zwei-Frauen-Stück “Grace and Glorie" von Tom Ziegler. Es ist ein Stück über Glaubensfragen, Lebensentwürfe und über das Altwerden. Aber alt fühlt sich Hilde Sochor nicht, obwohl sie am 5. Februar bereits ihren 80. Geburtstag feiert. Auf diesem Wege: "Happy Birthday!"

Link
Hilde Sochor - Porträt in der Wiener Zeitung