Ein Toter kehrt zurück

Halloween

Halloween in Avon, einer kleinen amerikanischen Vorstadt. Die Nacht, in der die Toten zurückkehren. In Avon sind es drei Jugendliche, Danielle, Marco und Toe, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Sie haben jedoch nur 24 Stunden Zeit...

Das Unglück passierte ein Jahr zuvor - auf einer rasenden Tour über den Highway, die "Smashing Pumpkins" dröhnten aus den Boxen, ein Joint machte die Runde, hinter ihnen ein Polizeiauto mit heulender Sirene. Der Wagen kam von der Straße ab und prallte gegen einen Baum.

Eine ganze Nacht, eine Ewigkeit

Drei Jugendliche starben bei dem verhängnisvollen Unfall, zwei haben überlebt: Kyle ist seither geistig behindert, seine Erinnerung ist ausgelöscht, einzig Tim kann die Unglücksnacht nicht vergessen, seine Gedanken rufen die Geister der Verstorbenen für eine unheilvolle Nacht nach Avon zurück.

Jeder vergisst irgendwann - das muss so sein, stimmt's? Beweist das nicht, dass die Zeit gnädig ist? Antworte nicht. Du hast später noch Zeit, darüber nachzudenken - eine ganze Nacht, eine Ewigkeit. Halloween ist nur einmal im Jahr.

Ein Alptraum in einem Traum

Erzähler des Romans ist Marco, einer der Toten. Stewart O'Nan wählt in seinen Romanen oft eine ungewöhnliche Erzählperspektive, um Tathergänge zu rekonstruieren, Schauplätze auszuleuchten oder einfach um Gedanken zu lesen. Dem Gespenstertrio, das überall dort auftauchen kann, wo sich jemand erinnert, stehen alle Türen in Avon offen. Zu dritt begleiten und verfolgen sie den kleinstädtischen Alltag ihrer Eltern und Freunde und suchen jenen Polizeioffizier heim, der sie einst in den Tod gehetzt hat.

Hab ich's dir nicht gesagt? Es gibt einen Grund, warum wir dich besuchen, warum diese Nacht immer wieder abläuft, ein Alptraum in einem Traum. Du hältst es für eine Qual, aber du weißt, dass es Gerechtigkeit ist. Du kennst den Grund. Du bist der Glückliche, weißt du noch? Du hast überlebt.

Das Leben danach

Schwarze Prosa im Stile seiner Vorbilder Ray Bradbury oder Stephen King, das ist die Spezialität des 1961 in Pittsburgh geborenen Autors und erklärten Horror-Movie-Fans Stewart O'Nan.

"Im Kino und im Fernsehen dreht sich immer alles um spektakuläre Ereignisse, nie um die Konsequenzen. Mich jedoch interessiert, wie das Leben danach aussieht. Mich beschäftigt immer, wie sich Menschen an bestimmte Hoffnungen klammern, welche Art von Glauben sie sich zurecht legen, um weiter zu machen," kommentierte der "Meister des subtilen Schreckens" in einem Interview.

Nichts ist wie damals

Für seine Bücher holt er sich die Anleihen aus der Wirklichkeit. Eine Brandkatastrophe in einem Zirkus, der Vietnamkrieg oder - wie bei "Halloween" - eine Zeitungsnotiz über einen Jugendlichen, der den Tod seiner Freunde nicht verkraften konnte und sich ein Jahr später ebenso das Leben nahm.

Tim macht die Erfahrung, dass nichts wie damals ist. Das ist auch unmöglich ein Jahr später, sein Stundenplan hat sich geändert und seine Freunde sind tot. Aber alles ist ein bisschen ungenau, verfälscht. Wenn er die falsche Tür öffnete, würde er ein Zimmer voller Statisten erblicken, deren Schminke aufgefrischt wird.

Aus, stop, retour!

"Jung und kaputt" sind die Helden des Stewart O'Nan, im defätistischen Lebensrausch zwischen Shopping Mall und Dunkin' Donuts. Stewart O'Nan zeigt in seinem Roman neben der spannenden Action-geladenen Handlung auch ein zeitloses Porträt des langweiligen, konsumorientierten Lebens in den stillen Suburbs von Connecticut. Die Geister von Halloween haben jedoch nur 24 Stunden Zeit, um auf das Leben der Ihren Einfluss zu nehmen, und so steigert sich der Roman im letzten Kapitel zu einem furiosen und bedrückenden Finale.

Moment, geh noch nicht. Komm zurück mit uns, bevor all das beginnt. Komm schon, es dauert nicht lange. Es ist ganz einfach. Fang am Friedhof an, wo sich der Rasen öffnet, damit die Totengräber das rechtwinklige Loch Stück für Stück leer schaufeln können. Der Bestattungsunternehmer baut den Hydrauliklifter wieder auf, um unsere Särge aus dem Grab zu heben, während der Geistliche rückwärts spricht. Die Blumen springen wie Souvenirs in die Hände der Trauergäste, die sich danach zerstreuen und zu ihren Limousinen gehen. Der Leichenbestatter bei Vincent's lässt die Balsamierflüssigkeit aus unseren Körpern laufen und füllt uns mit Blut, fährt den Leichenwagen rückwärts zur Laderampe des Krankenhauses. Der Pathologe steckt das Herz in die leere Brusthöhle zurück. Das Skalpell heilt den Schnitt.

Buch-Tipp
Stewart O'Nan, "Halloween", Rowohlt Verlag 2003, ISBN 3498050338