Das EU-Musterland Irland

Im Westen das gelobte Land

Nach dem Krisenjahr der EU und dem Misserfolg des Brüsseler Gipfels im Dezember hat am 1. Januar Irland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das kleine Land will dabei auf viel Geduld und Feingefühl setzen.

Irland hat die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Garret Fitzgerald, der 1975 als irischer Außenminister zum ersten Mal den Vorsitz für die kleine Republik angetreten hatte, ist zuversichtlich: Irland habe in den bisherigen fünf Präsidentschaften immer das Glück gehabt, mit einem konkreten Problem konfrontiert zu sein, und man habe stets einen konstruktiven Beitrag zur Lösung geleistet.

Viel Arbeit wartet

Und in der Tat, so auch diesmal: Die europäische Verfassung liegt in Scherben, der Stabilitätspakt ist Makulatur geworden. Der neue Vorsitzende, Irlands Premierminister Bertie Ahern, macht sich keine Illusionen.

250 wichtige Sitzungen in 180 Tagen, "das sollte ein Spaß werden", scherzt Ahern bitter.

Vorbild für ärmere Beitrittsländer

Die ehemalige irische Präsidentin und spätere UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, sieht Irland in einer Sonderstellung, weil es beim eigenen Beitritt vor über dreißig Jahren eines der ärmsten Länder Europas war. Irland habe die angebotene Hilfe weise investiert, namentlich im Aufbau eines anspruchsvollen Bildungswesens.

Jetzt habe das Land die Chance, die ihm zugedachte Rolle als Vorbild für die kleineren, ärmeren Beitrittsländer zu spielen, und sie hoffe, Irland werde dabei "großzügig sein und die Geschicke Europas entsprechend beeinflussen".

Zehn neue EU-Länder

Eines steht ja schon fest: der Höhepunkt des irischen Halbjahres kommt am 1. Mai, wenn zehn neue Länder formell der EU beitreten. Viele von ihnen verhehlen nicht, dass sie Irlands Werdegang und sein wendiges Verhalten im Kreis der Großen als Muster betrachten.

Der irische Regierungschef Ahern will gerne helfen: Viele der Beitrittsländer hätten Irland Komplimente für seine Leistungen gemacht und wollten nun Erfahrungen austauschen. Da wolle er gerne mit Rat und Tat aushelfen, "erklären, was funktioniert hat und was nicht", erzählen, was er selbst vergeblich ausprobiert habe.

Attraktive Körperschaftssteuersätze

Patricia McKenna, die grüne irische Abgeordnete im Europäischen Parlament, meldet Widerspruch an und stört die Idylle, wie es so ihre Gewohnheit ist. Es sei nicht richtig, den Beitrittsländern vorzugaukeln, sie würden so reich wie die Iren, sobald sie nur der EU beiträten. Denn die meisten Ursachen für Irlands Wirtschaftswunder hätten nichts mit der EU zu tun gehabt.

McKenna nennt die tiefen Körperschaftssteuersätze und die Währungskrise der frühen 90er-Jahre als Beispiele. In diesem Sinne gebe es kein irisches Modell, jedenfalls keins zum Nachahmen.

Abgeklärte Europabegeisterung

Die grüne Politikerin vertritt eine Minderheit, aber der frühere Finanzminister und Oppositionsführer Alan Dukes, der heute das Dubliner Europainstitut leitet, spricht mit seiner abgeklärten Europabegeisterung auch nicht mehr wie früher für die überwältigende Mehrheit der Iren.

Die EU habe den Iren gegeben, was sie einst versprach, jetzt sei es an den Iren, dafür zu sorgen, dass die neuen Mitglieder in den Genuss derselben Hilfe kämen.