Briefe von Werner Heisenberg, gesammelt und herausgegeben von Anna-Maria Hirsch-Heisenberg
Liebe Eltern!
Werner Heisenberg hat als bedeutender Physiker und als Begründer der Quantenmechanik Weltgeltung erlangt. Trotz umfangreichem Material - der Fachliteratur und den autobiografischen Schriften - bringen seine Briefe eine neue und andere Art der Authentizität.
8. April 2017, 21:58
Werner Heisenberg wurde am 5. Dezember 1901 in Würzburg geboren, sein Vater war Byzantinist und begeisterter Musiker. Er hatte sehr liebevolle Eltern, an denen er mit großer Zuneigung hing. Werner Heisenberg war 29, als der Vater relativ jung starb. An die Mutter schrieb er danach genauso häufig, nur mit noch größerer Fürsorge und Anteilnahme. Er fühlte sich, obwohl er der jüngere Sohn war, für sie verantwortlich.
Berge als Inspirationsquelle
Den ersten Brief, mit dem das Buch beginnt, hat Werner Heisenberg als 17-Jähriger bei einem sommerlichen Ernteeinsatz auf dem Land geschrieben. Sein Leben lang war er gerne in der Natur, er wanderte gerne, seine Gespräche führte er am liebsten im Gehen - auch mit seinen Kindern - und er gewann seine wichtigsten Erkenntnisse in den Bergen.
Neben der Musik war es der beste Ausgleich zur anstrengenden Forschungstätigkeit. Mit 24 Jahren gelingt ihm ein entscheidender Schritt zur Atomtheorie, mit 32 erhält er den Nobelpreis. Kurz darauf schreibt an die Mutter:
Die Unruhe des Festtages ist nun schon einer mehr inneren und ernsten Freude gewichen: darüber, dass das Schicksal mir für das Glück der Arbeit auch noch den Erfolg geschenkt hat und dass es in den verschiedenen Teilen der Welt Menschen gibt, die sich mit mir freuen.
In britischer Gefangenschaft
Der letzte - im Buch abgedruckte - Brief entstand im April 1945, wenige Wochen vor dem Tod der Mutter. Heisenberg machte sich damals mit dem Fahrrad auf den Weg, um zur Familie, seiner Frau und den mittlerweile sechs Kindern zu gelangen, die auf dem Land Schutz vor dem Krieg gesucht hatten. Heisenberg wurde unterwegs von einem Vortrupp der Amerikaner aufgegriffen und zusammen mit anderen Physikern nach England gebracht - man wollte verhindern, dass ein derart bedeutender Atomwissenschaftler den Russen in die Hände fiel.
Und gerade die Tätigkeit in der Reaktorforschung während der nationalsozialistischen Zeit hält bis heute das weltweite Interesse an Heisenberg wach. Die Kernfrage, die in den Briefen allerdings nicht beantwortet wird, lautet: Baute er im Auftrag Hitlers an einer Atombombe, wie die USA während des Krieges - wider besseres Wissen, wie man heute weiß - behaupteten?
Anna-Marias persönliche Erinnerungen
Heisenbergs Briefe an die Eltern enthalten nur wenige Andeutungen über seine Arbeit, aber sie berichten von Begegnungen mit den wichtigsten Wissenschaftlern seiner Zeit wie Albert Einstein, von den zahlreichen Reisen, seiner Liebe zur Musik und der Leidenschaft fürs Wandern
Anna-Maria Hirsch-Heisenberg hat nicht nur Briefe an die Eltern herausgegeben, denen als nächstes ein Band mit Briefen an die Ehefrau folgen wird, sie hat auch ihre persönlichen Erinnerungen an den Vater in einem umfangreichen Nachwort festgehalten - das ist der beste Teil des Buches, man würde gerne mehr davon lesen. Sie rückt darin - nicht nur aus ihrer Warte, sondern in Gesprächen mit Zeitzeugen bestärkt - das Bild Heisenbergs zurecht: Nicht der forsche Deutsche, sondern ein nachdenklicher, oft stiller und bescheidener Mann tritt einem entgegen, für den Musik und Philosophie mindestens ebenso wichtig waren, wie die Atomphysik.
Mein Vater fühlte sich eingebettet in eine höhere Ordnung, in der sich die Gegensätze der Welt zu einem Ganzen zusammenfügten. Ideologisches Denken war ihm zutiefst fremd. Er glaubte nicht an den "Sieg des Guten über das Böse" - er liebte es, immer wieder darauf zu verweisen, dass das Gegenteil einer tiefen Wahrheit häufig auch eine Wahrheit sei.
Buch-Tipp
Werner Heisenberg, "Liebe Eltern! Briefe aus kritischer Zeit 1918 bis 1945", herausgegeben von Anna-Maria Hirsch-Heisenberg. Langen-Müller Verlag 2003, ISBN 3-7844-2900-9.