Hoch hinaus und tief hinunter

Der alte Affe Angst

Zwischen Selbstzerstörung, Sehnsucht, ungestümer Leidenschaft bis zur Unzurechnungsfähigkeit und Momenten des wahren Glücks betrachtet der deutsche Regisseur Oskar Roehler die Liebe in seinem neuesten Film.

"Angst essen Seele auf", dieses an Rainer Werner Fassbinder angelehnte Motto hat der deutsche Regisseur Oskar Roehler seinem neuesten Film "Der alte Affe Angst" vorangestellt. Der Theaterregisseur Robert (André Hennicke) und die Ärztin Marie (Marie Bäumer), beide schon jenseits der 30, können nicht voneinander lassen, quälen sich mit Last und Lust an ihrer Beziehungsunfähigkeit, wobei ein Großteil der Probleme aus dem männlichen Versagen in der Sexualität entsteht.

Ein Psychoanalytiker soll Abhilfe schaffen, doch damit fangen die Probleme erst so richtig an: Die Trennung von Sex und Liebe kann Robert nicht anerkennen. Robert liebt seine Marie, doch beim Sex zieht es ihn unweigerlich zu Prostituierten hin. Zweifel und Verzweiflung, Sehnsüchte und Enttäuschungen nehmen zu.

Surrealer Tragödienreigen

Wäre nicht schon die Liebe schwierig genug, lässt Oskar Roehler auch noch alles Unglück dieser Welt über das Paar hereinbrechen: vom Krebstod des Vaters bis zum Verlust eines ungeborenen Kindes, vom beruflichen Scheitern über Drogenkonsum, der AIDS-Krankheit einer Prostituierten bis zum wiederholten Selbstmordversuch.

Die außerordentliche Dichte dieses bisweilen surrealen Tragödienreigens verleitet dazu, ironische Absichten zu vermuten, doch Oskar Roehler meint es mit dieser Psycho-Studie einer Paarbeziehung durchaus ernst.

Zwischen Verletzung und Versöhnung

Die Liebe als Gefängnis, das Menschen in einer Welt der vielen Möglichkeiten in der Entfaltung ihrer Individualität behindert, die Liebe, die sich nicht mit dem promiskuitiven Begehren vereinbaren lässt, dann wieder die Liebe als einzigartig paradiesischer Zustand des wahren Glücks.

Am Puls der Zeit sind diese Beobachtungen allemal, doch wenn Roehler sie durch einen schrillen Kino-Zeitraffer dreht, dann mag man ihm die hysterischen Emotionen kaum abnehmen. Wie eine Achterbahn läuft das Seelenleben der Figuren zwischen Verletzung und Versöhnung dahin: hoch hinaus, tief hinunter und das alles in atemberaubendem Tempo.

Mut zum Risiko

Oskar Roehler versucht, Grenzbereiche der Gefühlswelten auszuloten und landet doch immer wieder nur in seltsam komischen Abziehbildern davon. Freilich, den Mut zum Risiko und zur Selbstentblößung und damit auch zu pathetisch-provozierenden Gesten auf der Suche nach Authentizität kann man Roehler nicht absprechen.

Das Ergebnis ist ein Film, dem man kaum ungerührt gegenüberstehen kann. Sei es aus Bewunderung für die Treffsicherheit der Beobachtungen oder eben aus Ärger über diverse Plattheiten.

Als nächstes Projekt wird Oskar Roehler übrigens den Roman "Elementarteilchen" des Franzosen Michel Houellebecq verfilmen.

Der alte Affe Angst
Deutschland, 2003
mit: Marie Bäumer, Andre Hennicke, Vadim Glowna, Christoph Waltz, Ingrid van Bergen
Drehbuch und Regie: Oskar Roehler