Peter Handke, Schriftsteller

Begegnung in Chaville

Zwischen "Hornissen", 1966 erschienen, und der jüngsten Veröffentlichung "Die morawische Nacht" hat er mit Romanen, Bühnenstücken, Gedichten, Erzählungen und Filmen nahezu 80 Werke geschaffen: Peter Handke, der heute im Pariser Vorort Chaville lebt.

Michael Kerbler: Wenn Sie sich von dem Territorium des Schreibens weg bewegen und tagespolitische Äußerungen machen, dann bewegen Sie sich meistens - Stichwort Jugoslawien, Stichwort Milosevic, Stichwort Serbien - auf sehr dünnem Eis.
Peter Handke: Nein, das ist ein sehr fester Boden, auf dem ich mich bewege! Ich hab zwar damals im Akademietheater nach einer sehr nervenaufreibenden Lesetournee einem Publikumsteilnehmer gesagt, er soll sich seine Betroffenheit in den Arsch stecken. Nicht einmal das hab ich bedauert, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Ich bin auf nichts stolz, was ich geschrieben habe, auf meine Bücher. Ich bin dankbar für das, was ich machen konnte als Schriftsteller. Es ist etwas so Ungeheuerliches, der Schreiberberuf. Da darf niemand sich beklagen. Wie Goethe gesagt hat, "den edlen Menschen vorzufühlen", das heißt Schreiben. Der wünschenswerteste Beruf. Aber worauf ich jetzt hinaus will: Auf jedes geschriebene Wort, jeden geschriebenen Satz zu Jugoslawien bin ich still stolz, glaube ich. Ich hoffe, dass das auch meiner Stimme anzumerken ist.

Kann nur ein guter Mensch ein guter Schriftsteller werden?
Ja. Das Gute muss vorwiegen. Es gibt ja keine guten Menschen. Auch nicht die Mutter Theresa, ich bin überzeugt, es gibt keine guten Menschen. Es gibt Menschen, in denen das Gute vorwiegt, und die kämpfen für das Gute in sich. Es ist ein seltsam dialektischer Vorgang, dass einiges Böse, das in einem ist, oder das böse werden kann - da würde vielleicht sogar Brecht zustimmen - zu dem Guten führt. Oder zumindest beiträgt zu dem Guten, was heraus will aus einem. Gegen das Böse, was in mir wirkt und wurlt und wurschtelt, bin ich gar nicht. Ich möchte mir das nur bewusst machen und es einsetzen für die guten Zwecke. Für mich ist in dem Kunstschönen das Gute inbegriffen. Das ist nicht etwas, was da ist. Das Kunstschöne wird erkämpft. In einem selber.

Es ist mir keine Figur in ihrem Werk in Erinnerung, die das Prädikat "eine fiese Gestalt" trägt.
Ja, das ist mein Problem. Ein Problem, das ich bisher nicht gelöst hab. Shakespeare konnte das.

Empfinden Sie das als Defizit?
Ja, ich finde, das ist ein Defizit. Auch Stifter konnte das nicht. Goethe auch nicht. Und sogar wenn Sie die griechischen Tragödien lesen und reflektieren, da sind keine richtig bösen Menschen. Der einzige, der das richtig konnte, war Shakespeare. Das ist eine Forderung an mich selbst, einen Bösen darzustellen. Einen Teufel. Und es gibt Teufel. Also ich hab das erfahren. Es gibt Menschen, die Teufel sind. Etwas Teuflisches ist ab und zu in mir, und deshalb weiß ich das. Es gibt heute Teufel, wie es sie noch nie gegeben hat in der Menschheitsgeschichte. Es sind triumphierende Teufel, und die stehen dazu. In dem, was ich gerade schreibe, versuche ich mich dem zu nähern. Die Teufel von heute wollen entzweien. Sie haben den bösen Willen.

Teile und herrsche?
Ja, Sie haben das gut verstanden. Die wollen die Menschen entzweien. Sie wollen die Völker entzweien.

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Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 28. August 2008, 21:01 Uhr

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Buch-Tipp
"...und machte mich auf, meinen Namen zu
suchen - Peter Handke 'Im Gespräch' mit Michael Kerbler", Wieser Verlag

CD-Tipp
"Im Gespräch Vol. 7", ORF-CD, erhältlich im ORF Shop

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