Hugo Wolf Quartett spielt Mittler
Franz Mittler
Das Hugo Wolf Quartett hat Musik von Franz Mittler auf CD eingespielt. Diese Aufnahme ist Dokument der gewichtigen Gegenströmung zum Bruch mit der Tradition, wie es die Wiener Schule darstellte. Mittler war Musiker und Literat.
8. April 2017, 21:58
Mittler über seine Emigration und Musik des 18-Jährigen
Er war Meister einer Kunst, die im Internet fröhliche Urständ' feiert: die Kunst des Schüttelreims. Franz Mittlers Schüttelreime lassen ihn als einen fröhlichen, menschenfreundlichen Dichter und Komponisten erleben.
Unter jenen, die ihm nachfolgen in Humor und Poesie, war Robert Gernhadt, der dichtete:
Ein Schüttelreim (1)
"Ich will Gerlinde Stanken (2) frei'n!"
sprach wütend Graf von Frankenstein.
"Darum brauch ich einen Krankenschein,
sonst reiß ich alle Schrankenk (3) ein!"
(1) mit Fußnoten
(2) Gerlinde Stanken: die Tochter Ludwig Stankens
(3) Schrankenk: volkstümlich für Schranken
Ebenso Bruder im Geist war der von den Nationalsozialisten früh und hart verfolgte Erich Mühsam:
An der Liebe Niederlagen
lässt der Dichter Lieder nagen.
Kein Opfer
Franz Mittler erkannte die Zeichen der Zeit, vermied den Kampf gegen die Verderblich-Stärkeren, wich klug aus, sowohl NS-Europa wie der Opferrolle. Und dies trotz seiner Prominenz im Wien der 20er und 30er Jahre: Er war der Liedbegleiter, so begehrt von allen Sängern und Sängerinnen von Leo Slezak bis Charlotte Kraus, dass er es sich leisten konnte, einen Abend mit Karl Kraus zu verschlafen. Er wurde trotzdem diesem als Musikdirektor vorgestellt und wurde Karl Kraus' jüngster und wohl auch geliebtester Klavierbegleiter.
Von 1930 bis 1936 begleitete er Karl Kraus, was eigentlich bedeutete: ihm, der nicht Notenlesen konnte, spielte er Melodien vor, improvisierte in den Introduktionen, spielte die Melodie mit, damit der große Rezitator nicht den Faden verlor. Seither ist Offenbach niemals wieder in Wien in dieser Qualität und Quantität aufgeführt worden.
Debüt mit Clara Haskil
Mittler entstammte einer österreichischen Unternehmerfamilie jüdischer Abstammung, Verwandte sind die Biachs, die noch heute als Unternehmen des Namens Bunzl-Biach Altpapierverwertung in Wien betreiben. Eine weitere Verwandte war Leonie Gombrich, die Mutter Ernst und Dea Gombrichs.
Leonie Gombrich war Assistentin des in Wien unglaublich einflussreichen Pädagogen Theodor Leschetizky und eine der Lehrerinnen Mittlers. Mittlers Konzertdebüt war als Geiger, mit der neunjährigen Clara Haskil.
Konzerttätigkeit
Mittler, der auch Gesangsunterricht und Ballettstunden nahm, lernte außerdem beim Wittgenstein-Protegee Joseph Labor, bei Richard Heuberger und dem Clara-Schumann-Schüler Carl Friedberg. Seine Konzerttätigkeit umfasste Liedkorepetition wie auch kammermusikalische Mitwirkung, 1927 mit dem Rosé Quartett.
Mittler heiratet eine Wiener Exilantin in New York, Trauzeuge war Eric Zeisl. Mittler ging zurück nach Europa, lehrte am Mozarteum und starb 1970 in München. Seine Frau, die Ballettkorrepetitorin am Wiener Konservatorium war, lebt noch heute 97-jährig in Queens, New York.
Kompositorische Flexibilität
Mittler war ein Großer, was sein kompositorisches Können anbelangt. Das beweist seine Flexibilität, die ihm in den USA eine Karriere als Unterhaltungsmusiker ermöglichte; als Arrangeur und Mitglied eines Klavierquartetts, das hollywoodreif inszeniert auf vier Flügeln auswendig ein Repertoire von Wagner bis Mendelssohn spielte.
Das Quartett, eigentlich schon 1920 in Berlin gegründet, wurde 1955 für den Oscar nominiert, Morton Gould komponierte für die vier "Inventions für four pianos and orchestra", es wurde populär mit einer wöchentlichen Radio-Show.
Polka für Groucho Marx
Unter denen, für die er komponierte, war auch Groucho Marx - für dessen Zeigefinger entstand eine Ein-Finger-Polka. Mittler war ein Großer, was sein 200 Werke umspannendes Oeuvre bezeigt, unter denen die frühen Streichquartette, Werke eines Teenagers, das Bedeutendste sind. Sie sind ausladend und dicht, fasslich und innovativ, klangvoll und doch ökonomisch im Aufwand.
Franz Mittlers Werk, hier erstmals eingespielt, ist ein weiteres Glied in der Kette der kontinuierlichen Tradition, die von Brahms zu Labor zu Zeisl zu Marx führt. So ist diese Aufnahme Dokument der gewichtigen Gegenströmung zum Bruch mit der Tradition, wie es die Wiener Schule darstellte. Das Hugo Wolf Quartett, in neuer Formation mit der Bratschistin Gertrud Weinmeister, hat sich für das Werk eingesetzt. In Kürze ist das Produkt, entstanden mit Unterstützung eines Stipendiusm des PSC / Cuny Research Prorgamm, auf einer CPO-Ö1-CD zu hören.
Hör-Tipp
"Franz, der Reimer", Donnerstag, 17. Mai 2007, 14:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Diana Mittler-Battipaglia, "Franz Mittler - Austro –American Composer, Musician und humorous Poet", Peter Lang Publishing, ISBN 9780820420639
CD-Tipp
Franz Mittler, Streichquartette, Hugo Wolf Quartett, erscheint in Kürze