Ein Gentleman am Klavier

Sir Clifford Curzon

Er war ein Gentleman am Klavier: Sir Clifford Curzon. Die Musik Franz Schuberts wurde für Curzon zum Schlüsselerlebnis, zu einem Wendepunkt. Er hört Arthur Schnabel Schuberts B-Dur Sonate spielen. Eine Offenbarung, die seine Laufbahn prägen sollte.

Clifford Curzon über Arthur Schnabel

Er war ein großer Solist, sein kammermusikalisches Spiel wurde immer gerühmt: Clifford Curzon. Ein nur scheinbares Paradoxon. Vermächtnis seines Lehrers Arthur Schnabel: “Wenn sie solo spielen, dann sollten sie mehr Kammermusik machen.“ Gemeint hat er wohl, es ginge beim alleine Spielen um ein geschärftes Achtgeben auf die inneren Stimmen und die Basslinie der Musik.

Die meisten Aufnahmen mit Sir Clifford Curzon stammen aus seinen späten Jahren, geben die Reife des Altherrenherbstes wieder. Keine auftrumpfende, eine leise Kunst. Schubert wird für Curzon zum Schlüsselerlebnis, zu einem Wendepunkt.

Debüt bei den Proms

Curzon hat an der Royal Academy of Music studiert und hatte einen Lehrer und Förderer, dem er sein Leben lang dankbar war: den Dirigenten Sir Henry Wood. Unter Wood’s Dirigat hat Curzon sein Konzertdebüt bei den Proms als einer der drei Solisten in Bachs Tripelkonzert gegeben.

Und dann wirft ihn also ein Konzert aus der Bahn, zählt sein Klavierspiel für ihn von heute auf morgen nichts mehr. In der Grotrian-Steinweg-Hall hört er Artur Schnabel in einem halb leeren Saal Schuberts B-Dur Sonate spielen. Eine Offenbarung. "Ich begann von neuem zu leben“, erinnert sich Curzon. "Ich war davon überzeugt, noch nie zuvor etwas derartig wunderbares gehört zu haben. Und das Einzige, was zu tun blieb, war, noch einmal ganz neu in Berlin anzufangen. Also gab ich alles auf und lebte zwei Jahre lang in Berlin“, so Clifford Curzon zum seinem Gesprächspartner Alan Blyth 1972 in einer BBC-Radiosendung über Arthur Schnabel. Festgehalten ist das Interview in einer Bonus-CD zu einer neuen DVD mit den BBC-Recitals von Curzon.

Das lernte Curzon von Schnabel

Was hat Curzon von Schnabel gelernt? Seine zusammenfassende Antwort auf die Frage: Das war ersten sein Ton, die einzigartige Fähigkeit jede Stimme, jede Phrase, ja jede Note zu individualisieren. Und zweitens sein Rhythmus. Rhythmus sei nicht eine Sache des Akzents, sondern der Proportion, guter Rhythmus bestehe demnach nicht in extremen Akzentsetzungen sondern im sorgfältigen Plazieren jedes Klangs.

Die Berliner Jahre mit Arthur Schnabel waren die musikalisch prägendsten für Curzon: täglich lange Meisterkurse, in denen Stücke auseinandergenommen und untersucht wurden, Schnabel war ein unerbittlicher und brillanter Analytiker, der alles hinterfragte und das auch von seinen Schülern erwartete und sie dazu ermunterte, ja nicht zu kopieren, sondern ihre eigenen Interpretationen zu finden. Ein sich seiner selbst und seines Spiels ganz sicherer und trotzdem unendlich bescheidener Künstler, der sich auch die Bescheidenheit auferlegte, sein Künstlerleben mit ganz wenigen Komponisten verbringen zu wollen, denen, die immer da sein werden, allen voran Beethoven.

Rückzugsort Attersee

Im Verlauf des zweiten Studienjahres schlug Schnabel seinem Schüler Curzon vor, er solle auch einmal öffentlich spielen, und so wurde ein Recital in Berlin arrangiert. An diesem Abend im Jahr 1928 saß auch die amerikanische Cembalistin und Pianistin Lucille Wallace im Publikum. Ihr gefiel Curzons Spiel sehr und so lud sie ihn ein, im Sommer eine Zeit lang in ihrem musikalischen Rückzugsort zu verbringen, einem Haus in Litzlberg am Attersee.

Die beiden wurden Frau und Mann und diese Villa dann zur jährlichen Sommerresidenz der Curzons. Die beiden haben 1954 zwei Kinder adoptiert, Peter und Fritz, es waren die Söhne zweier früh Verstorbener, des Schauspielers Gustav Diessl und der Opernsängerin Maria Cebotari.

Gedenkkonzert
Der langjährigen Verbundenheit mit dem Attersee trägt ein Gedenkkonzert im Rahmen des Festivals Attersee Klassik Rechung. Die russische Pianistin Natacha Kudritskaya wird am Mittwoch, den 8. August 2007, ein Gedenkkonzert aus Anlass des 100. Geburtstages von Sir Clifford Curzon geben.

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 23. Mai 2007, 10:05 Uhr

DVD-Tipp
Clifford Curzon, "The BBC Recitals", Universal, ASIN: B000OONQ2Q

Veranstaltungs-Tipp
Natacha Kudritskaya, Gedenkkonzert aus Anlass des 100. Geburtstages von Sir Clifford Curzon, Mittwoch, 8. August 2007, 20:30 Uhr, Attersee Klassik

Link
Attersee Klassik

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