Materialien zu den Wiener Vorlesungen
Alternativen zur neoliberalen Globalisierung
Die Wiener Vorlesungen verstehen sich als Projekt der Aufklärung. An die 3.000 Vortragende waren in den letzten 20 Jahren zu hören. Eine von ihnen ist die Politologin Claudia von Werlhof. Ihre Kritik des Neoliberalismus ist jetzt in Buchform erschienen.
8. April 2017, 21:58
Claudia von Werlhof über Schwundgeld
In der Nachschrift zu ihrer Wiener Vorlesung liefert Claudia von Werlhof eine Definition des "Neuen Neoliberalismus": Die Wirtschaft sei erstmals derart eingebettet, dass sie zur politischen Macht würde und eine umgekehrte "Wirtschaftsethik" verbreite.
Es sei eine Wirtschaft, die den Altruismus und das sogenannte "Gutmenschentum" verhöhne. Das rationale Kosten-Nutzen-Kalkül mit dem Ziel der Profitmaximierung erstrecke sich mittlerweile weit über private Unternehmen hinaus. Selbst die Hausarbeit würde zum Teil vergesellschaftet und zum "Arbeitsplatz" umfunktioniert.
"There is no Alternative!" Das betonte immer wieder die Eiserne Lady, Margaret Thatcher - peinlich genug für die Frauen, wenn ausgerechnet eine Frau an der Macht die Politik der Erbarmungslosigkeit anführt.
Angleichung nach unten
Von den Linken sei immer behauptet worden, den Kapitalismus mache das Lohnarbeitsverhältnis aus. Würde sich dieses Verhältnis, also Kapital mit Lohnarbeit auflösen, löse sich auch der Kapitalismus auf. "Und dann sind wir als Frauen gekommen und haben gesagt 'Wo bleiben denn die Hausfrauen?' Und dann entpuppt sich", merkt Werlhof selbstkritisch an, "dass auch die Lohnarbeiter unter diese Wasseroberfläche gedrückt werden, wo diese ganzen unbezahlten Warenarbeiter sitzen und die Hausfrauen."
So kann es nicht weiter gehen
Das findet jedenfalls Caudia von Werlhof. Auf Dauer sei der Neoliberalismus nicht lebbar. Unumgänglich sei der Zusammenbruch von Ökologie, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Alles, selbst die Wissenschaft und die Kunst, sei auf ein Motiv reduziert: aufs Geldmachen. Daher müsse man umdrehen, erkennen, dass man falsch liegt.
Ganz im Gegensatz zu Margaret Thatcher glaubt Claudia von Werlhof an die Existenz von Alternativen zum globalisierten Neoliberalismus. Beispielsweise an anderes Geld. An Geld, das nicht dazu verleitet, es anzulegen, wo man am meisten Zinsen dafür bekommt, die größte Marge macht, die fettesten Gewinne abschöpft. Claudia von Werlhof glaubt beispielsweise an das Schwundgeld.
Neben dem Schwundgeld seien der Respekt vor der Natur und die kleinen regionalen Bewegungen die Alternativen, sagt die Politologin an der Universität Innsbruck. Von oben wären noch keine Revolutionen gekommen.
Claudia von Werlhofs Weltsicht stellt sich als eine recht pessimistische heraus. In Technologie und Fortschritt sieht sie mehrheitlich bedrohliche Aspekte.
Selbst wenn es uns gelingt, vor allem ein neues Verhältnis zur Natur , und damit eine neue Ökonomie und eine neue Technik zu schaffen, darüber hinaus ein neues Geschlechterverhältnis, das endlich von gegenseitigem Respekt getragen ist, ein neues Generationsverhältnis das längerfristig ausgerichtet ist bis mindestens in die 7. Generation, und ein neues politisches Verhältnis, das auf Egalität beruht, dann stellt sich immer noch die Frage nach einer angemessenen "Spiritualität" gegenüber der Erde.
Die Spiritualität gegenüber der Erde ist wohl nicht jedermanns Sache. Den Neoliberalismus erklärt Claudia von Werlhof sehr klar und deutlich. Auch die Unterscheidung des neuen vom alten Neoliberalismus ist gut nachvollziehbar. An den aufgezeigten Alternativen ist aber nicht allzu viel Neues zu entdecken.
Wiener Vorlesungen
Claudia von Werlhofs Buch "Alternativen zur neoliberalen Globalisierung oder Die Globalisierung des Neoliberalismus und seine Folgen" ist, wie eingangs erwähnt, basierend auf Ihrer Wiener Vorlesung entstanden. Zum 20. Jahrestag feiern die Wiener Vorlesungen sich selbst, und zwar mit einer Ringvorlesung. Beim nächsten Termin wird Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel sprechen.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Claudia von Werlhof, "Alternativen zur neoliberalen Globalisierung", Picus Verlag 2007, ISBN 9783854525806
Veranstaltungs-Tipp
Wiener Vorlesungen, Eric Kandel, Mittwoch, 30. Mai 2007, 19:00 Uhr, Festsaal des Wiener Rathauses
Links
Picus - Alternativen zur neoliberalen Globalisierung
wien.at - Wiener Vorlesungen