Barockes im Théâtre des Champs-Elysées
Die Opernhäuser von Paris
Während in Berlin drei Opernhäuser weiter gegeneinander und ums Überleben kämpfen, führt Paris vor, wie drei Institutionen und vier Theater, in denen regelmäßig Oper geboten wird, koexistieren können: Mit Fantasie und dem Verzicht auf Doubletten.
8. April 2017, 21:58
Für an Oper interessierte Fans Alter Musik hat sich Paris in den letzten Jahren zum Eldorado entwickelt. Sie werden sie am ehesten in einem der beiden Traditionshäuser finden, die, ob für szenische oder konzertante Wiedergaben, vor allem Gastspielproduktionen anbieten: dem Théâtre du Chatelet und dem Théâtre des Champs-Elysées.
Wo sonst als im Théâtre des Champs-Elysées ist es möglich, allein von Georg Friedrich Händel in einer Spielzeit (der Saison 2006/7) "Theodora", "Riccardo Primo", "Acis and Galatea" und "Rodrigo" konzertant zu erleben und dazu noch "Giulio Cesare" und "Ariodante" szenisch?
Prominente Solisten
Bei den von Christophe Rousset mit seinen "Talens Lyriques" gestalteten Abenden reicht die Liste der mitwirkenden Solistinnen und Solisten von Angelika Kirchschlager über Vivica Genaux bis Andreas Scholl, aber auch William Christie und Jean-Claude Malgoire, Emmanuelle Haim und Paul McCreesh sind regelmäßig zu Gast.
Möglicher Kritikpunkt: Das ist ein wohlassortierter musikalischer Gemischtwarenladen, nicht mehr. Mögliche Entgegnung: Vielleicht, aber ein Gemischtwarenladen, in dem sich andere Häuser gerne bedienen. So wird sowohl die Produktion des "Ariodante" als auch ein von Anna Caterina Antonacci gestalteter Soloabend unter dem Motto "Era la notte" (aber nicht mit Verdi, sondern mit Monteverdi) in der Saison 2007/8 ins Theater an der Wien weiterwandern.
Bunt gemischt: Oper im Théâtre du Chatelet
Dem musikalischen Grandseigneur amerikanischer Herkunft William Christie konnte man in der zu Ende gehenden Spielzeit in Paris auch im altehrwürdigen, intimen Théâtre du Chatelet begegnen, als Motor der Wiederaufnahme von Rameaus farbenprächtigen "Les Paladins". Bunt zusammengemischt ist, was das Chatelet an Oper bietet: Da steht Bernsteins Musical-naher "Candide" in Robert-Carsen-Regie neben Massenets "Thais" (konzertant mit der Europa durchquerenden Renée Fleming), die Francis-Lopez-Operette "Le Chanteur de Mexico" (seinerzeit ein Star-Vehikel für Tenor-Publikumsliebling Luis Mariano) neben einer "Carmen", bei der Marc Minkowski das Opera-comique-hafte herausarbeitet und Martin Kusejs martialische Berliner Lindenopern-Inszenierung in Paris gastiert.
Für 2007/08 sind so ausgefallene Pläne wie Albert Roussels "Padmavati", passend mit französisch-indischem Leading Team, oder auch André Messagers spätromantische "Veronique" unter der Leitung des Barock-Spezialisten Jean-Christophe Spinosi angekündigt.
Das Opern-Flagschiff: die Opéra Bastille
So ergänzen die beiden kleineren Häuser das Repertoire des Pariser Opern-Flagschiffs, der Opéra National de Paris, die sich räumlich auf die moderne, riesenhafte Opéra-Bastille und das im Stadtzentrum gelegene historische Palais Garnier verteilt und weiterhin von Gérard Mortier geleitet wird.
Speziell die Bastille-Oper hat das internationale Standardrepertoire zu pflegen, Wagner, Strauss, Mozart, wobei Mortier - mit Regisseuren von Luc Bondy bis La Fura dels Baus, von Christoph Marthaler bis Trisha Brown - seiner Linie treu bleibt.
Französische Raritäten
Ausnahmsweise lassen sich auch Raritäten aus dem französischen Opern-Fundus einbauen: zuletzt Charpentiers pariserisch-veristische "Louise" (von André Engel allerdings zeitgenössisch spröde in heutige U-Bahn-Schächte verlegt) und die rund um Neil Shicoff inszenierte Grand Opéra "La Juive" von Halévy.
Das Palais Garnier beherbergt vor allem die Ballettproduktionen der Opéra National, aber siehe da: Im Juni 2007 taucht auch dort ein Werk von Georg Friedrich Händel auf, "L'Allegro, il penseroso ed il moderato", diesmal vertanzt, aber einmal mehr dirigiert von William Christie. Paris - die Welthauptstadt der "Baroque-maniacs"?
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 31. Mai 2007, 15:06 Uhr
Links
Théâtre du Chatelet
Théâtre des Champs-Elysées
Opéra National de Paris