Diversitäten
Andere Länder, andere Sitten
Die Frage, wie sich Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander verständigen können, scheint wichtiger denn je. Denn Firmen sind in verschiedenen Ländern tätig, haben Mitarbeiter aus verschiedenen Weltgegenden und dazu kommt ein Flüchtlingsstrom.
8. April 2017, 21:58
Noch bis vor wenigen Jahrzehnten ging man von dem Bild aus, dass Kulturen voneinander abgeschottete Inseln oder Kugeln seien. Die neuere Forschung zeigt: was Menschen voneinander unterscheidet, ist weniger die Kultur als zum Beispiel ihr Geschlecht, ihre soziale Stellung, ihre Bildung, ihr Einkommen - und nur unter anderem auch die Kultur, der sie zugehören.
Eine österreichische Studentin hat zum Beispiel mehr Gemeinsamkeiten mit einer türkischen Studentin als diese mit einem ebenfalls türkischen oder österreichischen Hausmeister; ein Bauer aus dem Waldviertel wird Gemeinsamkeiten mit einem Bauern aus Peru entdecken - und beide werden weniger mit Managern aus Lima oder Wien gemeinsam haben. Es geht um Diversitäten und Gemeinsamkeiten. Der "Kampf der Kulturen" ist nur eine ideologische Fiktion, die als Waffe benützt wird, um anderen die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen.
Unterschiedliche Vorstellungen
Dass man sich heute international meist mit Englisch verständigen kann, täuscht oft über die unterschiedlichen Vorstellungen, die Menschen haben. Dabei spielen weniger nationale als religiöse oder soziale und andere Faktoren eine Rolle.
Eine große Mehrheit der Inder zum Beispiel verbindet mit dem Begriff "Wasser" die Vorstellung von Reinheit, deutschsprachige Menschen dagegen haben ganz unterschiedliche Konzepte, was Wasser für sie bedeutet, erzählt der Jenaer Kommunikationswissenschafter Jürgen Bolten. Daher ist es wichtig, die Vorstellungswelt des Anderen zu kennen. Wenn man zum Beispiel einen Afrikaner nach seinem Geburtstag fragt, kann es sein, dass er einen Wochentag nennt, weil in seiner Gemeinschaft Kinder nach dem Tag benannt werden, an dem sie geboren werden. Das genaue Geburtsdatum ist dagegen unwichtig, wenn nicht gerade ein Beamter der Asylbehörde danach fragt. Dann kann dieser Unterschied zu gewaltigen Nachteilen für einen Asylwerber führen. Daher müssen Asylwerber auf die Verfahren vorbereitet werden, sagt Elisabeth Freithofer vom Wiener Integrationshaus.
Kommunikation lernt man langsam
Wer als Tourist in ein fremdes Land kommt, sollte sich vorher über Sitten und Gebräuche informieren. Allerdings kann es sein, dass einem auf den ersten Blick gar nichts Besonderes auffällt. Erst bei genauerem Hinsehen beginnt man, Unterschiede wahrzunehmen, die einem oft eigenartig oder exotisch vorkommen. Der nächste Schritt ist dann oft, festzustellen, dass doch alle Menschen in ihrer Essenz gleich sind.
Erst allmählich lernt man, mit den Unterschieden einer fremden Kultur entspannt umzugehen. Jasmine Böhm, Trainerin für interkulturelle Kommunikation, erzählt von einem türkischen Freund, der ihr zwar die Hand gab, aber ihr nie in die Augen sah. Das irritierte sie; auf ihre Frage sagte er, dass es bei ihm daheim unhöflich sei, eine Frau direkt anzuschauen, aber natürlich könne er sich auch anders verhalten.
Entscheidend ist in jedem Fall, den anderen als Menschen wahrzunehmen. Denn ob jemand sein Gegenüber wertschätzt oder nicht, ist eine interkulturell gültige Erfahrung. Und davon hängt das Gelingen der Kommunikation vor allem ab.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Dienstag, 29. Mai bis Donnerstag, 31. Mai 2007, 9:05 Uhr.
Links
Institut für integrativen Tourismus und Entwicklung
interkulturelles-portal.de
Zivilcourage und Anti-Rassimus-Arbeit